Flugplatz Stockerau – LOAU
Die österreichische Hauptstadt ist aus vielen Gründen eine Reise wert. Eine Sichtflugroute entlang der Donau macht unvergessliche Blicke auf die Kaiserstadt möglich. Ausgezeichnete Basis dafür ist der Flugplatz Stockerau
Am Flughafen Wien-Schwechat (LOWW) haben Kleinflugzeuge Seltenheitswert – kein Wunder angesichts von Slot-Regelungen und exorbitant hohen Gebühren. Von einem Ausflug nach Wien sollte man sich deshalb jedoch nicht abschrecken lassen. Schließlich stehen im Umfeld der Donaumetropole gleich mehrere Flugplätze zur Auswahl. Spitzerberg (LOAS) ist ein rund 40 Kilometer östlich von Wien gelegenes Flugfeld mit 700 Meter langer Graspiste und rustikalem Charme, das jedoch unter schlechten öffentlichen Verkehrsanbindungen leidet. Vöslau (LOAV) und Wiener Neustadt (LOAN) befinden sich dagegen unmittelbar an der Südbahnlinie, sodass Wien vergleichsweise einfach erreicht werden kann. Zudem warten beide Plätze mit langen Asphaltbahnen und RNAV-Approaches für Instrumentenflieger auf – kein Wunder, dass sie zu den am meisten frequentierten Flugplätzen in Österreich gehören.
Im Nordwesten von Wien, lediglich 20 Kilometer von der Stadtgrenze entfernt und exzellent an das Verkehrsnetz angebunden, gibt es darüber hinaus eine weitere Landemöglichkeit: Der Flugplatz Stockerau (LOAU) ist gerade für Piloten, die aus Deutschland anfliegen, ein besonders empfehlenswertes Ziel. Das blaue Band der Donau ist der schönste Wegweiser, wenn man als VFR-Pilot von Westen nach Stockerau unterwegs ist. Ab der Höhe von Krems gilt es freilich, die sich schrittweise absenkenden kontrollierten Lufträume rund um den Flughafen Wien sowie um den Militärflugplatz Tulln (LOXT) zu beachten. Außerdem ist Tulln von einer vom Boden bis in 2500 Fuß MSL reichenden Militärkontrollzone überspannt, die zumindest zu „Bürozeiten“ aktiv ist. Sicher geht, wer – nach Studium des Kartenmaterials – im Anflug mit Wien Information (118,525 MHz) Verbindung hält.
Flugplatz Stockerau: gerade für Piloten aus Deutschland ein empfehlenswertes Ziel
Wer eine zweite Frequenz eindrehen kann, hört auf 130,850 MHz ein erst kürzlich eingerichtetes Automatic Pilot Information System, kurz APIS, das ähnlich des ATIS an Verkehrsflughäfen über Wind und Pistenrichtung informiert. Ungefähr auf Höhe des VOR Stockerau sollten anfliegende Maschinen auf die Flugplatzfrequenz wechseln. Die über mehrere Meldepunkte führende Platzrunde vermeidet die umliegenden Ortschaften und ist völlig unkompliziert, die 800 Meter lange Asphaltpiste ist für so gut wie jedes Flugzeug der Allgemeinen Luftfahrt geeignet. Bei einer Landung auf der „07“ steht die gesamte Pistenlänge zur Verfügung, auf der „25“ gilt es dagegen, die versetzte Schwelle zu beachten: Eine im Endanflug die Pistenachse querende Straße muss in einer Mindesthöhe von 130 Fuß überflogen werden.
Einen Instrumentenanflug gibt es in Stockerau zwar nicht, doch das flache Umland und die vorherrschende Windrichtung West-Ost sorgen für überdurchschnittlich gutes Flugwetter. Außerdem können IFR-Piloten die NDB- und VOR-Approaches in Tulln für ein Cloudbreaking nützen – die Nähe zum Militärplatz wirkt sich also durchaus auch positiv aus. Einmal in Stockerau gelandet, erwartet den Besucher ein herzlicher Empfang durch den Betriebsleiter. Der lokale Flugsportverein FSV2000 ist besonders engagiert, was sich nicht nur an der 15 Motorsegler und Motorflugzeuge umfassenden Flotte, einer hohen Zahl an Flugschülern und dem beliebten sommerlichen Flugplatzfest zeigt – sogar ein so genanntes Courtesy Car für Gäste steht zur Verfügung, kostenlos wie in den USA! Erwartet wird lediglich, dass der verbrauchte Sprit vor der Rückgabe wieder nachgetankt wird.
Einmal in Stockerau gelandet, erwartet den Besucher ein herzlicher Empfang durch den Betriebsleiter
Der Fiat Panda kann im Voraus reserviert werden.Die Landegebühren in Stockerau sind mit 13 Euro bis 1000 Kilogramm Höchstabflugmasse, 18 Euro bis 1500 Kilogramm und 25 Euro für schwerere Maschinen moderat. Das Abstellen der Maschine im Freien schlägt pro Nacht mit dem halben Landetarif zu Buche, ein Hangarieren (die Plätze sind allerdings begrenzt) mit einer vollen Landegebühr. Getankt werden können Avgas und Mogas. Vom Flugplatz Stockerau ist man schnell in Wien – selbst dann, wenn man auf das Courtesy Car verzichtet. Mit dem Taxi (oder im Auto eines freundlichen Fliegerkollegen) gelangt man in zehn Minuten zum Bahnhof der Kleinstadt Stockerau, von dort verkehrt die Schnellbahn regelmäßig mit rund zwanzigminütiger Fahrzeit nach Wien. Läuft alles am Schnürchen, genießt man schon eine Stunde nach der Landung Melange und Sachertorte im Café Sacher neben der Wiener Staatsoper.
Danach gibt es in Wien genug zu entdecken: Die Liste der weltbekannten Sehenswürdigkeiten reicht von den Ringstraßenbauten – Oper, Rathaus, Burgtheater, Kunsthistorisches und Naturhistorisches Museum – über den Stephansdom bis zur Hofburg. Wer auch am Boden seiner Leidenschaft für die Fliegerei nachgehen will, findet in Wien zwar kein Luftfahrtmuseum, aber diverses historisches Fluggerät im Technischen Museum (darunter ein Nachbau der Etrich Taube sowie ein im Original erhaltenes Aviatik-Berg-Jagdflugzeug aus dem Ersten Weltkrieg) und im Heeresgeschichtlichen Museum. Gastronomisch ist Wien neben den Kaffeehäusern (ebenso wie das Sacher sind das Café Landtmann an der Ringstraße oder das Café Weimar an der Währingerstraße renommierte Adressen) für seine Heurigen bekannt – so heißen die typischen Weinlokale, in denen regionale Tropfen ausgeschenkt werden.
Läuft alles am Schnürchen, genießt man schon eine Stunde nach der Landung Melange und Sachertorte
Das Heurigenviertel im Stadtteil Grinzing ist manchmal überlaufen, Einheimische oder anspruchsvollere Touristen entscheiden sich eher für Alternativen – zum Beispiel den „Fuhrgassl-Huber“ in Neustift, den „Mayer am Pfarrplatz“ oder den „Steinklammer“ in Mauer. Auch bei der Wahl des Hotels ist es durchaus lohnend, sich ein paar Minuten von den allzu touristischen Plätzen zu entfernen: Sowohl das Hotel Rathaus als auch das Hotel Hollmann Beletage und das Hotel Altstadt Vienna sind sehr empfehlenswerte Boutiquehotels mit Design-Anspruch, die sich in Seitengassen der Innenstadt verstecken. Im Prater grenzen Vergnügungspark und Grünoase unmittelbar einander. Aus den Gondeln des berühmten Wiener Riesenrads bietet sich ein wunderbarer Blick auf die Stadt. Schöner ist nur noch die Aussicht aus dem eigenen Flugzeug – und die genießt man, wenn man die Sichtflugstrecke entlang der Donau in Angriff nimmt.
Ausgangspunkt dafür ist wiederum der Flugplatz Stockerau. Vor dem Start wird ein Flugplan aufgegeben, in der Luft empfiehlt sich ein Erstkontakt mit Wien Information. Nach dem Überflug des Meldepunkts Kreuzenstein (eine aus der Luft gut erkennbare Burg, die übrigens einen Besuch wert ist) wird man üblicherweise querab von Klosterneuburg an Wien Turm weitergereicht. Wichtig: Nur diese Frequenz kann die tatsächliche Einflugfreigabe in die Wiener Kontrollzone erteilen. Sollte also aus irgendwelchen Gründen der Funkkontakt nicht augenblicklich zustande kommen, ist eine Wartekurve im Bereich Klosterneuburg nötig. Nach Erhalt der Freigabe geht es in maximal 2500 Fuß nach Wien hinein. Hier verläuft die Donau in zwei Armen – der südlichere Hauptarm ist der eigentliche Fluss, nördlich davon liegt die zum Hochwasserschutz geschaffene „Entlastungsgerinne“.
Überflug von Wien: Blick auf die historischen Sehenswürdigkeiten der Innenstadt
Dazwischen befindet sich die langgestreckte Donauinsel, ein Paradies für Sportler und Ende Juni alljährlich Schauplatz eines der weltweit größten Musikfestivals. Auf der rechten Seite sieht man anfangs noch die Weingärten, die Wien zur einzigen europäischen Hauptstadt mit einem Weinanbaugebiet innerhalb der Stadtgrenzen machen. Danach passiert man ebenfalls rechterhand den Millennium Tower, eines der bekanntesten Wiener Hochhäuser, bevor links die schlanke Nadel des Donauturms (der nächste Meldepunkt) sowie die Hochhäuser rund um die Donau City in den Blick rücken. Der bereits 1964 eröffnete Donauturm ist mit seinen 252 Metern nach wie vor das höchste Gebäude in Wien. Der futuristische DC Tower ist zwar zwei Meter niedriger, kommt den Tragflächen aber scheinbar viel näher – kein Wunder angesichts der bedrohlichen Fassade aus dunklem Glas.
Während links die Donau City und die Gebäude des Wiener UNO-Sitzes am Flugzeug vorüberziehen, genießt man rechts einen wahrhaft kaiserlichen Blick auf die historischen Sehenswürdigkeiten der Innenstadt. Nach dem Prater samt Praterstadion und den östlichen Vorstadtbezirken ist schließlich der Flughafen Wien-Schwechat klar erkennbar. Beim Kraftwerk Freudenau heißt es jedoch, um 180 Grad zu wenden, um in entgegengesetzter Richtung die Kontrollzone wieder zu verlassen – vorausgesetzt, man hat nicht einen kompletten Durchflug beantragt, um entlang der Donau nach Osten in Richtung Slowakei und Ungarn weiterzufliegen.Wie auch immer die nächste Destination heißt: Die in und über Wien gewonnenen Eindrücke bleiben unvergesslich.
Text: Philipp Hayder; fliegermagazin 09/2016