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Flugplatz Speyer – EDRY

Flugplatz und Stadt sind häufig unvereinbare Widersacher. In vielen Städten hat man die Flieger 
deshalb an die Peripherie verbannt. Nicht so in Speyer: Hier gehört die Luftfahrt zum Stadtbild

Von Redaktion

Man muss kein frommer Katholik sein, um beim Eindrehen ins Endteil von EDRY in andächtiges Schweigen zu fallen. Der Motor schnurrt leise, während sich vor der Cowling ein gewaltiges romanisches Gebirge aufbaut, unantastbar und doch zum Greifen nah. Türme und Kuppeln über mächtigen Mauern, durchbrochen von filigranen Galerien mit zahllosen Säulen, Kapitellen und Rundbögen: Der Kaiserdom zu Speyer ist die größte romanische Kathedrale Europas und steht auf der Liste des UNESCO-Welterbes. Selbst aus dem Cockpit, gewissermaßen auf Augenhöhe, scheinen die vier flankierenden Türme mit Strenge auf ihre Betrachter herabzublicken. Und doch: Unter der Frühlingssonne leuchten die Sandsteinmauern in warmen Rottönen, einladend und milde. Für solche Betrachtungen bleibt aber kaum Zeit. Am Dom sind wir schon im Endanflug, jetzt noch übers Technik Museum und dann Touchdown.

Der Speyerer Flugplatz ist ebenfalls ein geschichtsträchtiger Ort. Immerhin gehört auch er zu den ältesten Stätten seiner Art in Deutschland. Schon 1912 landet eine Rumpler Taube in den Rheinauen nahe der Domstadt. Im gleichen Jahr wird der Pfälzische Flugsportverein Speyer gegründet. Nur ein Jahr später entstehen auf dem ehemaligen Exerzierplatz, der jetzt als Flugfeld genutzt wird, die Montagehallen der Pfalz-Flugzeugwerke, einer der ersten Luftfahrtbetriebe Deutschlands. Hier werden bis 1918 über 2500 der gefürchteten Pfalz-Jagddoppeldecker gebaut. Mit bis zu 2800 Beschäftigten ist das Unternehmen damals der größte Arbeitgeber der Region. 1915 soll die Produktionsfläche erweitert werden. Kaiserliche Pioniere montieren dafür eine komplette Industrieanlage in der französischen Stadt Lille ab, um sie in Speyer als Flugzeugfabrik wieder aufzubauen – eine mobile Immobilie als Kriegsbeute.

Eine friedlichere Luftfahrt-Epoche beginnt 1950 mit der Gründung des Flugsportvereins Speyer.

Nach der Niederlage muss das Unternehmen jedoch dichtmachen, die Alliierten haben den Deutschen jede Art von Motorflug verboten. Ironie der Geschichte: In der ehemals französischen Fabrikhalle, die seit 1915 in Speyer steht, werden nach Kriegsende französische Soldaten stationiert. In den Jahren 1937 bis 1945 scheint sich die deutsche Luftfahrtgeschichte bei den Flugwerken Saar-Pfalz zu wiederholen: Der bedeutende Rüstungsbetrieb wartet und repariert bis 1945 am Speyerer Flugplatz Kriegsgerät der deutschen Luftwaffe. Nach der Kapitulation der Wehrmacht werden die Hallentore des Unternehmens geschlossen, die Siegermächte verbieten erneut alle fliegerischen Aktivitäten. Eine friedlichere Luftfahrt-Epoche beginnt 1950 mit der Gründung des Flugsportvereins Speyer. In den frühen fünfziger Jahren siedelt sich die Firma Heinkel in Speyer an und produziert zunächst Kabinenroller. Seit 1956 baut das Unternehmen hier unter dem Namen Ernst Heinkel Flugzeug GmbH auch wieder Luftfahrzeuge.

Nah dran: Die Innenstadt ist vom Flugplatz aus schnell 
erreichbar. Links hinter der Bahn das Technik Museum (Foto: Samuel Pichlmaier)

In der Folge wechselt das Gelände mehrfach die Besitzer. Nach Heinkel kommen VFW-Fokker, Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) und die Deutsche Aerospace Aktiengesellschaft (DASA). Heute trägt die ehemalige DASA-Niederlassung als weitgehend selbstständiges Unternehmen wieder den traditionsreichen Namen Pfalz-Flugzeugwerke und erinnert an die frühe Pionierzeit der Fliegerei in Speyer. Durch die veränderten Ansprüche der Industrie wird der Flugplatz Speyer nach dem Zweiten Weltkrieg mehrfach erweitert und modernisiert. 1971 erhält er eine asphaltierte Piste und befestigte Rollwege. Bis 1986 werden die vorerst letzten Ausbauarbeiten abgeschlossen. Nachdem die DASA in den neunziger Jahren keine Verwendung mehr für den Flugplatz hat, geht das Gelände in den Besitz einer neu gegründeten Betreibergesellschaft über. Das jüngste Kapitel Speyerer Luftfahrtgeschichte schreibt derzeit der Flugzeugkonstrukteur und Unternehmer Peter Funk mit seiner Firma B & F Technik.

Aktuelle Luftfahrtgeschichte: Flugzeugbau der Firma B & F Technik

Das Unternehmen baut seit 1990 moderne Ultraleichtflugzeuge und gehört zu den renommiertesten Marken in Europa. Die Modellpalette reicht vom sportlichen Kabinenhochdecker Fk9 über den rasanten Doppeldecker Fk12 bis zum eleganten Reisetiefdecker Fk14. In diesem Jahr feiert B & F Technik sein zwanzigjähriges Bestehen. Aber schon in den sechziger Jahren hatte sich Peter Funks Vater Otto dem Flugzeugbau verschrieben. Bis in die späten Achtziger entwickelt der gelernte Maschinenbauingenieur mehrere Segelflugzeuge und Motorsegler. Viele aufregende Zeugnisse deutscher und europäischer Luftfahrtgeschichte kann man heute im Technik Museum Speyer besichtigen. Gleich neben dem Flugplatz, in den denkmalgeschützten Hallen der ehemaligen Pfalz-Flugzeugwerke, sind vom Fokker-Dreidecker bis zum russischen Space-Shuttle Buran einige der größten Schätze ausgestellt, die seit den ersten Lilienthal-Gleitern erdacht und gebaut wurden.

Wer das Rad der Geschichte etwas weiter zurückdrehen will, muss in Speyer nicht lange suchen. Wenige Gehminuten vom Flugplatz entfernt ist die über 2000-jährige Vergangenheit der alten Domstadt allgegenwärtig. Bereits im Jahr 10 v. Chr. errichteten römische Soldaten am rechten Rheinufer des heutigen Speyer ein Militärlager. Archäologische Ausgrabungen weisen darüber hinaus auf keltische Siedlungen am linksrheinischen Ufer in der zweiten Hälfte des vorchristlichen Jahrtausends hin. Zeugnisse aus dieser Zeit sind im Historischen Museum der Pfalz ausgestellt. Dort ist auch eine Kunstsammlung von unschätzbarem Wert zu sehen: der Speyerer Domschatz. Er stammt wie der Dom selbst aus der Zeit der salischen Kaiser. Unter dem Dom haben zahlreiche deutsche Herrscher und ihre Gemahlinnen ihre letzte Ruhestatt. Die Steinsarkophage sind in einer unterirdischen Kapelle, der Krypta, aufgebahrt. Es ist die größte romanische Säulenhalle Europas, ein Raum vollkommener Schlichtheit und Schönheit.

Exportschlager aus Speyer: Die Ultraleichtflugzeuge Fk12 Comet (links) und Fk9 Mark IV (rechts) stammen aus dem Hause B & F Technik. Der Firmensitz ist direkt neben der Piste (Foto: Samuel Pichlmaier)

Die außergewöhnliche Spiritualität dieses Ortes ist auch für jene spürbar, die sich keiner Religion zugehörig fühlen.Einer der Herrscher, die hier liegen, hat sich besonders im Bewusstsein der Deutschen verewigt: Im Jahr 1076 n. Chr., so die Stadtchronik, ist Kaiser Heinrich IV. von der Domstadt nach Canossa aufgebrochen, um sich beim Papst vom Kirchenbann zu lösen. Der Bußgang ist als erniedrigender Bittgang noch heute im deutschen Sprachgebrauch lebendig. Wir stehen jetzt ebenfalls zum Aufbruch bereit: am Rollhalt 16 der Runway zu Speyer. Aber es soll nicht nach Canossa gehen, sondern nach Hause. Und doch kommt ein Hauch von Läuterung auf, als wir kurz darauf an den trutzigen Domtürmen vorbei nach Westen abdrehen. Die zweitausendjährige Geschichte dieser Stadt hat ihre Spuren hinterlassen. Ein Gefühl wie zu Kaisers Zeiten, nur eben von oben.

Speyer – Tipps und Infos

  • So kommt man hin: Die Asphaltpiste von Speyer liegt etwa eine halbe Nautische Meile südöstlich der Altstadt in einer Rheinschleife. Von Norden kommend bietet sich die Autobahn 5 als Navigationshilfe an, von Süden die Bundesstraße 9. Wer von Westen oder Osten anfliegt, muss nur der Autobahn 6 folgen. Als Auffanglinie dient der Rhein.
  • Unterkunft: Übernachtungsmöglichkeiten gibt es direkt neben dem Flugplatz im Hotel am Technik Museum in der umgebauten ehemaligen französischen Kaserne – einfach, aber gut und vor allem nah dran.
  • Aktivitäten: Das Technik Museum Speyer ist seit vielen Jahren einer der bedeutendsten Besuchermagneten der Stadt. Auf dem Außengelände sowie in den ehemaligen Hallen der Pfalz-Flugzeugwerke sind Luftfahrzeuge, Autos und Zweiräder aller Couleur vertreten. Darüber hinaus ist eine beeindruckende Sammlung historischer Musikinstrumente zu sehen. Ohne eine Besichtigung des Kaiserdoms zu Speyer und besonders der Hallenkrypta unter dem Kirchenschiff hat man die Stadt nicht wirklich kennengelernt. Sehr sehenswert ist außerdem das Historische Museum mit dem Domschatz direkt neben der Kathedrale.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 5/2010