flugplaetze

Flugplatz Pellworm – EDHP

Eine Grasbahn mit Abstellfläche, weder vorgeschriebene Platzrunde noch feste 
Betriebszeiten – so unkompliziert kann Fliegen sein. Leihfahrräder zum Erkunden 
der Insel gibt’s am Platz. Also los!

Von Redaktion

Ohne Flugleiter geht es hier zwar auch nicht. Doch ein kurzer Anruf unter der PPR-Nummer vor dem Abflug, dann unterbricht Janine Magnussen ihre Arbeit und kommt an den Sonderlandeplatz, um die Gäste in Empfang zu nehmen. Friesisch herb – das trifft nicht nur auf den freundlichen Schnack mit Janine Magnussen zu; auch das Landschaftsbild ist so: Weiden, Deiche, Schafe und Kühe. Und kein Sandstrand. Pellworm ist grün bis an die Wasserkante, eine Marschinsel, die ihre Existenz dem Meer mit Hilfe von Deichen ständig aufs Neue abringen muss. Die drittgrößte Nordfriesische Insel steht ein wenig im Schatten von Sylt und Föhr. Sandburgenbauer sind dort besser aufgehoben. Pellworm hat keine Promi-Partys, keine mit Strandkörben übersäten Dünen. Es geht deutlich ruhiger zu, aber die Insel braucht sich keineswegs hinter anderen zu verstecken. Die Ruhe ist Pellworms größte Stärke.

Auch deshalb handelt es sich um einen beliebten Kurort, vor allem für Mutter-Kind- oder Vater-Kind-Kuren. Das Tourismuskonzept Pellworms legt überhaupt viel Wert auf Besucher mit Kindern. Das beginnt schon beim Inselmaskottchen Pelle, einem süßen Schaf, und zeigt sich am Angebot an Aktivitäten, die von Minigolf über Ponyreiten und Wattwanderungen bis hin zu „Piratenfahrten“ mit dem Schiff reichen. Bei schlechtem Wetter lockt außerdem das Freizeitbad PelleWelle. Viele landwirtschaftliche Betriebe bieten Ferien auf dem Bauernhof an. Auch Kulturinteressierte kommen auf ihre Kosten: Kunstmalerei hat auf Pellworm Tradition, überall finden sich kleine Ateliers und Galerien. Vom Flugplatz kommt man am einfachsten mit dem Leihfahrrad weg. Der Magen knurrt, also radeln wir zum Mittagessen nach Tammensiel. Im Hauptort der Insel befinden sich Hafen, Touristen-Information, das Schifffahrts- und das Inselmuseum.

Die Ruhe ist Pellworms größte Stärke

Im Restaurant Nordseeblick direkt am Hafen genießen wir frischen Fisch direkt vom Kutter und hervorragende Bratkartoffeln. Gleich nebenan ist Arno’s Hafen Pub, das Lokal mit den meisten Facebook-Likes weltweit! Deutlich abgeschlagen auf den Plätzen zwei und drei liegen das Hard Rock Café in New York und das Hofbräuhaus in München. Schuld daran ist Stefan Raab, der während einer „TV total“-Sendungen dort anrief und vom trockenen Humor des Betreibers Arno Thomsen so begeistert war, dass er seine Zuschauer zum Liken aufrief. Frisch gestärkt folgen wir dem Radweg entlang des Außendeichs, der Pellworm umrundet. Wir erreichen den etwas über hundert Jahre alten Leuchtturm der Insel. In seiner ganzen norddeutschen Schönheit hat er es sogar auf eine Briefmarke der Karibikinsel Grenada geschafft. Nach Voranmeldung kann man ihn besichtigen.

Mehr braucht’s nicht: Wiese, Flugleiterhütte – fertig. Hektik ist hier ein Fremdwort (Foto: Lukas Kirchner)

Wer Abwechslung von Krabben und Fischbrötchen sucht, findet nebenan bei „Curry am Leuchtturm“ original Berliner Currywurst und einen gemütlichen Biergarten. Einen frischen Wind um die Nase, radeln wir weiter. Der Weg führt uns vorbei an reetgedeckten Häusern und Höfen, die auf Warften liegen. Das sind mehrere Meter hohe künstliche Erdaufschüttungen aus der Zeit, bevor der Außendeich gebaut wurde. Man findet sie heute auch noch auf den Halligen rund um Pellworm. Der Kampf gegen den „Blanken Hans“ hat auf Pellworm eine lange Geschichte. Noch im 14. Jahrhundert existierte auf dem Gebiet der heutigen Nordfriesischen Inseln eine große Landfläche, die Uthlande (Außenlande). Im Januar 1362 brach eine Sturmflut ungekannten Ausmaßes über die Region herein, die wegen der Vielzahl an Todesopfern – man geht von 10 000 aus – als „Grote Mandränke“ (große Manntränke) bekannt wurde.

Ihr fiel auch der sagenumwobene Ort Rungholt zum Opfer, dessen genaue Lage bis heute ungeklärt ist. Aus zusammenhängenden Landteilen wurden viele kleine Inseln und Halligen. Auf dem Gebiet des heutigen Pellworm und der Halbinsel Nordstrand entstand die fruchtbare Insel Strand. Sie erlebte eine 250 Jahre währende Phase wirtschaftlicher Blüte, bis im Oktober 1634 eine erneute Sturmflut („Zweite Grote Mandränke“) die Insel auseinanderriss und Pellworm in seiner heutigen Form entstehen ließ. Noch immer findet man im Watt Spuren der versunkenen Siedlungen, etwa Keramiktöpfe oder Kacheln. Eine sehenswerte Sammlung hat der Heimatforscher Helmut Bahnsen im Rungholt-Museum zusammengetragen. Wer sich für die Geschichte Pellworms interessiert, sollte sich auch Zeit für das Insel-Museum in Tammensiel nehmen.

Im Inselinneren gelangen wir über eine idyllische Allee zur Neuen Kirche (St. Crucis) von 1622. Besonders sehenswert ist der vergoldete Altaraufsatz, der aus der Kirche des versunkenen Orts Ilgrof stammt. Die zweite der beiden Kirchen auf Pellworm, die Alte Kirche (St. Salvator) aus dem 11. Jahrhundert, ist auf Meereshöhe ebenso beeindruckend wie aus der Vogelperspektive. Die weithin sichtbare ziegelrote Turmruine erinnert ein wenig an die Tempelruinen in Kambodscha. Herzstück des Gotteshauses ist die 1711 von Art Schnitger erbaute Orgel. Im Sommer finden jeden Mittwochabend Konzerte statt, bei denen Musiker aus ganz Europa auf der Orgel spielen.Nach so viel Geschichte wollen wir erst mal die Füße ins Wasser stecken und fahren dafür an die Badestelle bei der Nordermühle, der einzigen erhaltenen Windmühle auf Pellworm.

Die heutige Form Pellworms ist das Ergebnis mehrerer Sturmfluten

Der fehlende Sandstrand stört uns nicht, vielmehr das fehlende Wasser – es ist Ebbe. Naja, ein bisschen durchs Watt waten macht ja auch Spaß. Weiter raus sollte man nicht ohne erfahrenen Wattführer. Angeboten werden unterschiedlichste Touren, unter anderem kann man Knud Knudsen, den einzigen Wattpostbooten Deutschlands, auf seinem Fußmarsch zur Hallig Süderoog begleiten. Auf weniger anstrengende Art lassen sich die Mini-Inseln rings um Pellworm natürlich auch im Rahmen von Schiffstouren erreichen. Manche Fahrten schließen Abstecher zu den Seehundbänken ein. Wir beschließen die Tour bei einer köstlichen Friesentorte, bestehend aus Mürbeteig, Blätterteig, Schlagsahne und Pflaumenmus, im stilvoll eingerichteten Café Anticus. Wer nicht fliegen muss, trinkt dazu einen Pharisäer, also Kaffee mit Zucker, Rum und Sahne.

Aus dem 11. Jahrhundert: Alte Kirche 
im Inselinneren. Der Turm stürzte 1611 ein 
und wurde zum Wahrzeichen Pellworms (Foto: Lukas Kirchner)

Zeit für den Rückflug. In seiner jetzigen Form und Lage besteht der Flugplatz übrigens erst seit den neunziger Jahren. Flugbetrieb gibt es auf Pellworm aber schon seit dem „Eiswinter“ von 1928/29. Die Insel war damals mehrere Monate lang nicht mit dem Schiff zu erreichen, sodass Nahrungsmittel, Post und Krankentransporte von und nach Flensburg geflogen wurden. Der Platz existierte bis 1939. Erst in den sechziger Jahren wurde östlich des heutigen Fluggeländes wieder eine Landebahn eingerichtetIm Abflug drehen wir eine Ehrenrunde über Pellworm und den Halligen. Wir genießen die Ruhe und das Farbenspiel aus dem Grün der Weiden und den schillernden Blau-, Braun- und Grautönen des Wattenmeers. Die Abendsonne glitzert und spiegelt sich im Wasser der Priele. Wir haben diese Insel wirklich in unser Herz geschlossen und werden wiederkommen. Wer braucht schon einen Sandstrand?

Pellworm – Tipps und Infos

  • Hotels: Kiek Ut (vier Sterne), Hooger Fähre 6, DZ 92 Euro, www.nordsee-hotel-pellworm.de; Landhaus Leuchtfeuer (drei Sterne), direkt neben dem Leuchtturm, Süderkoogweg 10, DZ ab 42 Euro, www.landhaus-leuchtfeuer.de
  • Ferienwohnungen: Verzeichnis beim Kur- und Tourismusservice, www.pellworm.de. Besonders empfehlenswert sind die Ferienwohnungen in der Nordermühle aus dem 17. Jahrhundert, Nordermitteldeich 70, www.nordermuehle-pellworm.de
  • Einkehren: Fischrestaurant Nordseeblick, Tammensiel 4; Arno’s Hafen-Pub, Tammensiel 5; Curry am Leuchtturm, Süderkoogweg; Café Anticus, Nordermitteldeich 61
  • Veranstaltungen: „Pellworm heute“ beim Kur- und Tourismusservice anfordern, www.pellworm.de, oder bei der Touristen-Information in Tammensiel, Uthlandestraße 2, besorgen. Inhalt: Veranstaltungshinweise, Adressen von Restaurants, Kunstgalerien und Kunsthandwerksläden, Termine für Wattwanderungen und Schiffstouren zu den Seehundsbänken, Halligen und Nachbarinseln
  • Reiten: Ausritte auf Pferden, auch durchs Watt, www.appelhof-pellworm.de; Ponyreiten www.ponyhof-pellworm.de
  • Insel-Museum: Kultur und Geschichte der Insel, Uthlandestraße 2, Mo. – Fr. 8 – 12 Uhr, Mo. – Do. 14 – 18 Uhr
  • Rungholt-Museum: Fundstücke aus der Zeit vor den großen Sturmfluten; interessant sind auch die Erzählungen des Museumsbetreibers Helmut Bahnsen, Westerschütting 2, Mi. ab 15 Uhr und nach Voranmeldung, Telefon 04844/569
  • Schifffahrtsmuseum: Zeigt die Arbeit der Fischer und Seeleute, Dauerausstellung „Seefahrt tut not“ über die Gefahren der Seenotrettung, Am Alten Hafen, täglich 10 – 17 Uhr
  • Schutzstation Wattenmeer: Naturkundliches Infozentrum, organisiert Wattwanderungen, Osterschütting 9, Mo. – Sa. 10 – 13 und 14 – 17 Uhr, So. 14 – 17 Uhr, www.schutzstation-wattenmeer.de, Leuchtturm-Besichtigung nach Terminvereinbarung beim Kur- und Tourismusservice
  • Freizeitbad: „PelleWelle“, mit Rutschen und Saunabereich, Uthlandestraße 1, Mo. 10 – 16 Uhr, Mi. – So. 14 – 20 Uhr, www.pelle-welle-freizeitbad.de

Text: Jan Fees; Fotos: Lukas Kirchner; fliegermagazin 10/2016