Flugplatz Pattonville – EDTQ
Stuttgart hat’s schwer, sich als attraktives Ausflugsziel neben anderen deutschen Großstädten zu behaupten. Doch es gibt vieles zu entdecken, wenn man sich die Zeit dafür nimmt. Eine attraktive Basis für Erkundungen ist der Flugplatz Pattonville
Schwabenmetropole – so nennen die Stuttgarter ihre Stadt gerne stolz und liebevoll, vielleicht auch ein wenig selbstironisch. Tatsache ist, dass die Hauptstadt Baden-Württembergs viel zu bieten hat und ihr Ruf dem häufig nicht gerecht wird.
Wer sie anfliegen möchte, hat zwei Optionen: Zum einen natürlich den „großen“ Flughafen, der südlich der Stadt in der Filderebene liegt. Wer IFR- und 24-Stunden-Betrieb will, ist hier richtig, muss aber auch bereit sein, 100 Euro für Landung und Abfertigung mit einer typischen Echoklasse-Einmot hinzulegen.
Deutlich günstiger und mindestens genauso gut an die Stadt angebunden ist der Flugplatz Pattonville im Norden von Stuttgart mit seiner 672 Meter langen Asphaltbahn.
Von Pattonville kommt man gut in die Schwabenmetropole
Der Name verrät es: Vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis 1989 war der Platz eine Basis der U.S. Army, die hier Raketen stationiert hatte. Schon seit den sechziger Jahren fand aber auch ziviler Flugbetrieb statt. Heute teilen sich sieben Vereine und ein Rettungshubschrauber der DRF Luftrettung den Sonderlandeplatz. An den Wochenenden herrscht reger Flugbetrieb mit Motor- und Segelflugzeugen sowie ULs.
Wer genau hinsieht, findet noch Spuren aus der Militärzeit: Wandbeschriftungen in den alten Hangars, Betonfundamente der Raketenstellungen und sogar einen Bunker. Die angrenzende Wohnsiedlung, in der einst die Soldaten mit ihren Familien lebten, trägt bis heute den Namen Pattonville, nach General George Smith Patton Jr. Von der Haltestelle, die nur 100 Meter vom Platz entfernt liegt, gelangt man mit Bus und S-Bahn in 30 Minuten zum Stuttgarter Hauptbahnhof, ein Taxi benötigt etwa 20 Minuten. Vom Airport EDDS geht das auch nicht schneller.
Pattonville liegt mitten im Ballungsraum Mittlerer Neckar und ist von dicht besiedelten Gemeinden umgeben, Lärmschutz ist also ein wichtiges Thema. Deshalb gibt es hier auch keine Platzrunde, sondern in beiden Bahnrichtungen Direktanflüge, die entlang von Meldepunkten im Zickzack um Wohngebiete herum verlaufen. Beide Endanflüge sind seitlich versetzt und führen in spitzem Winkel auf die Schwelle zu.
Das Anflugverfahren von EDTQ sollte vorher gründlich studiert werden
Aus Norden kommend bietet sich entweder das VOR LBU als Anflughilfe an, das nicht weit vom Meldepunkt Öffingen entfernt liegt, oder man folgt der Autobahn A81, die direkt zum Meldepunkt „Wasserturm“ führt.
Wer von Süden aus der Stuttgarter Kontrollzone kommt, kann entweder über das Whiskey-Routing ausfliegen und dann der A81 nach Norden folgen oder über Echo die CTR verlassen und sich dann bis Öffingen östlich des Neckars halten.
Die anzufliegenden Meldepunkte sind gut zu finden, ein gründliches Studium des Anflugverfahrens in der AIP und unter www.edtq.de ist trotzdem notwendig. Auch die Zahl der täglichen Starts und Landungen ist begrenzt, weshalb eine PPR-Regelung gilt.
Mag sein, dass große Teile der Stuttgarter Innenstadt keinen Schönheitspreis gewinnen würden – hier wurden in der Nachkriegszeit sehr viele Bausünden begangen, und die Großbaustelle für das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 wertet die Stadt derzeit nicht gerade auf.
Gründerzeitbauten und Kunstmuseum werten die Bausünden Stuttgarts auf
Doch es wäre falsch, Stuttgart darauf zu reduzieren, denn abseits des unmittelbaren Stadtzentrums findet man viele gut erhaltene Gründerzeitbauten. Zudem hat man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt: Der gläserne Kubus des 2009 eröffneten Kunstmuseums beispielsweise ist ein Lichtblick im wahrsten Sinne des Wortes und lockert die teilweise dröge Architektur der Königstraße auf, Stuttgarts Einkaufsmeile.
Gegenüber des Kunstmuseums steht das Neue Schloss. Ende des 18. Jahrhunderts von den württembergischen Herzögen erbaut, ist es heute Sitz der Landesregierung. Der davor gelegene Schlossplatz mit seinen Grünflächen und Brunnen wird von den Stuttgartern im Sommer gern als Treffpunkt genutzt, um die Sonne zu genießen, zu picknicken oder einfach nur eine Shopping-Pause einzulegen.
Nicht weit entfernt liegt das Alte Schloss, das auf eine Wasserburg aus dem 10. Jahrhundert zurückgeht und heute das Landesmuseum Württemberg beherbergt. Hier kann man eine archäologische Sammlung und Exponate zur Kulturgeschichte der Region besichtigen.
Schlösser, Oper und Autos – Stuttgart hat viel zu bieten
Kunst- und Kulturliebhaber kommen in Stuttgart ohnehin voll auf ihre Kosten: Die Stuttgarter Oper ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt für ihre innovativen Inszenierungen. Auch das Staatstheater, die Staatsgalerie oder das Haus der Geschichte Baden-Württembergs sind einen Besuch wert.
Und natürlich ist Stuttgart eine Automobilstadt. Mit Daimler und Porsche haben zwei der bedeutendsten und traditionsreichsten Hersteller hier ihren Sitz und – wie es sich gehört – jeweils ein Museum zur Geschichte des Automobils und ihrer Marken.
Um Stuttgart aber wirklich zu erleben, sollte man nicht nur im Kessel der Innenstadt bleiben, sondern rauf auf die Hänge, die die Stadt umgeben. Dafür eignen sich so genannte Stäffeles-Touren – Spaziergänge über die vielen Treppen auf die Hanglagen. So gelangt man durch Villenviertel und Waldstücke zu Aussichtspunkten mit grandiosem Blick. Und durch Weinberge: Stuttgart liegt im klimatisch begünstigten Neckartal und zählt zu Deutschlands größten Weinbaugemeinden.
Eine schöne Wanderung führt zur Grabkapelle Rotenberg, die Anfang des 19. Jahrhunderts von König Wilhelm I. von Württemberg als ewiger Liebesbeweis für seine jung gestorbene Gemahlin gebaut wurde. Von diesem romantischen Ort hat man eine herrliche Aussicht über das Neckartal. Übertroffen wird der Ausblick nur, wenn man das Wahrzeichen der Stadt erklimmt, den Fernsehturm auf dem Berg Bopser.
Auf dem Killesberg im Norden wartet mit der Weißenhof-Siedlung ein Höhepunkt für Architekturliebhaber. Sie wurde 1927 für eine Ausstellung von berühmten Architekten des „Neuen Bauens“ wie Le Corbusier und Walter Gropius entworfen und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Zu Fuß oder per Rad rund um Stuttgart
Wenn einem vom Wandern und Treppensteigen die Beine schmerzen, sollte man eine Pause in einem der Biergärten in Hanglage einlegen, zum Beispiel auf der Karlshöhe oder am Teehaus im Weißenburgpark. Bei einem erfrischenden Wein oder kühlen Bier mit Spätzle oder Maultaschen lässt sich hier das Stadtpanorama wunderbar genießen.
Von Pattonville ist nicht nur Stuttgart gut zu erreichen. Neckar-, Rems- und Bottwartal liegen in der unmittelbaren Umgebung und bieten mit ihrer abwechslungsreichen Fluss- und Weinberglandschaft viele Möglichkeiten für Ausflüge, Wander- und Radtouren.
Literaturinteressierte sollten einen Besuch von Marbach am Neckar einplanen, der Geburtsstadt Friedrich Schillers. Der zog zwar wenige Jahre nach seiner Geburt weg, doch bis heute ist man hier besonders stolz auf sein Erbe und hat es geschafft, dass Marbach Sitz des Deutschen Literaturarchivs wurde. Hier lagern unzählige Originaldokumente aus der deutschen Literaturgeschichte.
Schloss Ludwigsburg gibt den Besuchern einen Hauch von Versaille
Ganz in der Nähe des Flugplatzes liegt auch Ludwigsburg, das für sein von Versailles inspiriertes Barockschloss mit großer Gartenanlage bekannt ist, dem Blühenden Barock. Es ist eines der größten erhaltenen barocken Bauwerke Europas. Im Garten des Residenzschlosses liegt eine tolle Attraktion für Kinder: der Märchengarten, eine Art Freizeitpark mit Attraktionen rings um bekannte Märchen.
Leicht skurril, aber sehr unterhaltsam ist die im Schlossgarten jährlich von September bis November stattfindende Kürbisausstellung. Hier wetteifern Züchter um den größten Kürbis, und Künstler schaffen riesige Statuen und ganze Bildwelten aus Kürbissen.
Im Winter ist der liebevoll dekorierte barocke Weihnachtsmarkt von Ludwigsburg ein schönes Ausflugsziel.
Vom Barockschloss führt eine kerzengerade, 13 Kilometer lange Allee über das kleinere Schloss Favorite bis hin zum Schloss Solitude in Stuttgart. Sie war einst ausschließlich für den Hofstaat reserviert und zeugt vom Anspruch der württembergischen Herzöge und Könige, mit dem französischen Adel auf Augenhöhe zu agieren.
Schon damals verglich man sich also gerne mit den großen Hauptstädten Europas – vielleicht stammt daher der heutige Anspruch der Schwabenmetropole. Sicher ist aber: Die Stadt und ihre Region haben in der Tat viel zu bieten.
Text: Jan Fees; Fotos: Bianca Renz, Michael Reichert, Lukas Kirchner, Brigida Gonzales; fliegermagazin 02/2017