Flugplatz Mariazell – LOGM
Inmitten von hohen Bergen und einsamen Wäldern liegt das idyllische Mariazeller Land. In der Vorweihnachtszeit ist ein Besuch des kleinen Orts besonders reizvoll: Dann lockt der vielleicht stimmungsvollste Adventmarkt Österreichs
Egal, aus welcher Richtung man Mariazell anfliegt: Schroffe Bergkämme und ausgedehnte, nur selten von Straßen durchschnittene Wälder ziehen unter dem Flugzeug hinweg. Wie eine Insel liegt inmitten dieser Wildnis das Mariazeller Land. Dass ausgerechnet in diesem Talkessel im äußersten Norden der Steiermark die Stadt Mariazell entstand, hat einen guten Grund: Die hiesige Marienkirche war bereits im Mittelalter einer der wichtigsten katholischen Wallfahrtsorte. Noch heute kommen jährlich bis zu eine Million Pilger zur „Magna Mater Austriae“ – einer geschnitzten Marienskulptur, die als Schutzpatronin Österreichs und anderer Nachfolgestaaten der Donaumonarchie verehrt wird. Weniger anstrengend als der Pilgerweg ist ein Flug nach Mariazell.
Zwischen der Stadt und dem Nachbarort Sankt Sebastian liegt auf dem ebenen Talboden der Flugplatz mit dem ICAO-Code LOGM. Dass sich diese Stelle ausgezeichnet für die Fliegerei eignet, wurde schon in den zwanziger Jahren erkannt: Ein altes Gemälde im Aufenthaltsraum des Fliegerclubs zeigt ein imposantes Grasgelände mit großen Abfertigungsgebäuden im Art-Deco-Stil. Diese kühnen Pläne wurden zwar nie realisiert, doch es entstand ein kleiner Flugplatz, der lange Zeit als anspruchsvoll galt – schließlich handelte es sich um eine nur 500 Meter lange Graspiste in einer Höhe von 2820 Fuß. Dennoch wurde Mariazell zu einem beliebten Ausflugsziel für österreichische Piloten sowie zur ersten Adresse für anspruchsvolle Segelflieger, die aufgrund der ausgezeichneten Thermik in den umliegenden Bergen so manchen Rekord erflogen.
Mariazell wurde zu einem beliebten Ausflugsziel für österreichische Piloten
Im Jahr 2000 wurde parallel zur Grasbahn die seither vorwiegend genutzte Asphaltpiste errichtet und mit befestigten Streifen vor den eigentlichen Schwellen versehen, sodass nunmehr 660 Meter (Piste 15) beziehungsweise 540 Meter (Piste 33) Startstrecke zur Verfügung stehen. Ein Erlebnis ist die Landung in LOGM nach wie vor – vor allem dann, wenn man eher selten in den Alpen unterwegs ist. Aufgrund der hohen Berge in der Umgebung empfiehlt es sich, die Verbindung mit FIS (Wien Information auf 124,40 MHz) rechtzeitig zu beenden, bevor der Funkkontakt abreißt. Dann muss man recht lang die Höhe halten, denn sogar die unmittelbar nordwestlich des Platzes aufragende Gemeindealpe ist 5466 Fuß hoch. Nach dem Überfliegen der letzten Kämme gilt es, Mariazell auf 122,10 MHz zu rufen und rasch auf die Platzrundenhöhe von 3500 Fuß zu sinken.
Auch wenn Einheimische an Direktanflüge gewohnt sind – eine volle Platzrunde mit Überflug der Piste erleichtert das Descent Planning. Fliegt man auf die „33“ an, beginnt der Gegenanflug querab des idyllischen Erlaufsees. Nachdem man einer von Südwesten in die Platzrunde hineinragenden Bergschulter ausgewichen ist, dreht man in einer weiten Kurve in den Endanflug, der knapp an der Stadt Mariazell vorbeiführt. Nach dem Überfliegen einer Straße und einer letzten Häuserzeile geht’s runter zur leicht versetzten Schwelle. Beim Anflug auf die „15“ gilt es, die Bergschulter in entgegengesetzter Richtung zu passieren. Am Erlaufsee ist es Zeit zum Eindrehen in den rechten Queranflug. Im Endanflug muss man die Höhe richtig einschätzen: Die Schwelle der leicht ansteigenden Piste ist 120 Meter nach hinten versetzt, unmittelbar vor dem Asphaltband bricht das Gelände steil ab.
Die Schwelle der leicht ansteigenden Piste in LOGM ist 120 Meter nach hinten versetzt
Einmal gelandet, ist dem Piloten ein herzlicher Empfang gewiss. An der Tankstelle können Avgas (Preis aktuell 2 Euro pro Liter) und Mogas (1,60 Euro pro Liter) getankt werden, im Sommerhalbjahr gibt es in einem der beiden Hangars Einstellmöglichkeiten für Gäste. Auf dem großzügigen Grasvorfeld sollte eigentlich immer ein Platz frei sein. Die Landegebühren sind moderat: Für ULs und Motorsegler werden 8 Euro verrechnet, die Tarife für Motorflugzeuge reichen von 12 Euro (maximal 800 Kilo Abflugmasse) über 16 Euro (maximal 1.500 Kilo) bis zu 25 Euro für noch schwerere Maschinen. Hat man das Flugzeug versorgt, führt ein halbstündiger Spaziergang in das Stadtzentrum von Mariazell. Neben der Wallfahrtskirche sind vor allem die Berge die Attraktion des Mariazeller Landes.
Von bequemen Wanderwegen über die beeindruckende Tour durch die Schluchtenlandschaft der Ötschergräben bis hin zu hochalpinen Klettereien bleibt kaum ein Wunsch unerfüllt. Im Sommer ist für Badefreunde der Erlaufsee die erste Adresse, auch Taucher schätzen sein kristallklares Wasser. Ein Tal weiter liegt der verwunschene Hubertussee; für Abenteuer im Kajak oder Rafting-Boot bietet sich der Gebirgsfluss Salza an. Im Winter punktet das Mariazeller Land mit seinen familienfreundlichen Skigebieten auf Bürgeralpe und Gemeindealpe. Im Vergleich zu den großen Skizentren in Westösterreich mögen sie zwar eher bescheiden erscheinen, doch die Pisten für Anfänger und Könner sind abwechslungsreich, und langes Anstehen an überlaufenen Seilbahnen gibt es hier nicht.
Neben der Wallfahrtskirche sind vor allem die Berge die Attraktion des Mariazeller Landes
Mariazell ist darüber hinaus für sein breit gefächertes Angebot an Langlaufloipen bekannt. Für Piloten ist dies freilich mit einem Wermutstropfen verbunden: Liegt nämlich sogar im Tal so viel Schnee, dass die Langlaufloipen gespurt werden können, müssen am Flugplatz die Piloten den Wintersportlern weichen. Erst nach der Schneeschmelze wird der Flugbetrieb wieder aufgenommen. Vor Weihnachten ist der Flugplatz Mariazell üblicherweise jedoch noch schneefrei. Piloten sollten dieses Zeitfenster nutzen: Einerseits ist der Anflug besonders reizvoll, wenn auf den Bergspitzen der erste Schnee liegt und die Täler noch grün sind. Andererseits lockt von 20. November bis 20. Dezember der „Mariazeller Advent“: Jeweils von Donnerstag bis Sonntag sowie am 7. und 8. Dezember verwandelt sich die Altstadt rund um die Wallfahrtskirche in ein idyllisches Weihnachtswunderland.
An über 100 Ständen werden traditionelles Kunsthandwerk und regionale Spezialitäten angeboten. Ein riesiges Lebkuchenhaus lässt den Besuchern das Wasser im Mund zusammenlaufen – schließlich ist Mariazell für seine traditionellen Lebzeltereien bekannt, die vom Familienunternehmen Pirker mittlerweile an Delikatessenläden in ganz Europa geliefert werden. Ein Besuch in der Lebkuchenwerkstatt ist Pflicht!
Auch furchterregende Krampusdarbietungen und eine reizende lebende Krippe mit Ochs, Esel, Schafen und Kühen dürfen beim Mariazeller Advent nicht fehlen – ebenso wie Kutschenfahrten und Fackelwanderungen rund um den allabendlich romantisch beleuchteten Ort. Wer all das mit dem Flugzeug entdecken möchte, darf nur nicht vergessen, zum Telefonhörer zu greifen – einerseits ist der Flugplatz Mariazell PPR, andererseits erhält man so Gewissheit, dass die Piste tatsächlich schneefrei ist.
Text: Philipp Hayder; fliegermagazin 12/2015