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Flugplatz Konstanz – EDTZ

Traumlage: Die Stadt erstreckt sich beidseits des Konstanzer Trichters. Durch ihn fließt der Rhein vom Ober- in den Untersee. Vorn an der Landzunge das Strandbad Hörnle

Von Peter Wolter
Anflug aus Norden: EDTZ liegt zwischen 
Industrie- und Naturschutzgebiet. Darüber am Horizont der 8200 Fuß hohe Säntis Foto: Peter Wolter

„Mehr Konstanz im Leben!“ Witziger Slogan – aber eine Imagekampagne hat die Stadt eigentlich nicht nötig: der historische Reichtum, die Lage am Bodensee und überhaupt der Freizeitwert. Was den Flugplatz betrifft, wäre mehr Konstanz allerdings wünschenswert.

Anflug in 3000 Fuß aus Norden. Unterm linken Flügel die Insel Mainau mit ihrem Barockschloss und den prächtigen Gärten; dann die Uni, in deren mondlandschaftsartigem Innenhof mal der „Kleine Prinz“ aufgeführt wurde; rechts die Vulkanberge des Hegaus; in Zwei-Uhr-Position die Reichenau, die „Salatinsel“, wie man so sagt, obwohl ihre drei romanischen Kirchen natürlich jedem Rettich die Schau stehlen; vor mir auf der Schweizer Seite des Rheins das Gottlieber Schloss, in dem der Reformator Jan Hus eingekerkert war; im Gegenanflug unter mir das Wollmatinger Ried, das größte Naturreservat am deutschen Bodenseeufer. Das Paradies!

Oder die Hölle, wenn man sich zur falschen Zeit mit der Kirche anlegte, wie Hus. Hier haben sie ihn verbrannt: Die Kurve in den Queranflug zur Piste 30 tangiert fast den Konstanzer Stadtteil, auf dessen mittelalterlichem Richtplatz der böhmische Theologe 1415 dem Scheiterhaufen zum Opfer fiel, nachdem er zum Ketzer erklärt worden war und seine Lehre nicht wider-
rufen hatte. Über 400 Jahre vergingen, bis die Stadt im Paradies den Hussenstein aufstellte, zur Erinnerung an den Unbeugsamen.


Lage von Flugplatz Konstanz (EDTZ): am westlichen Stadtrand, Piste zwischen parallel verlaufender Bahnlinie und Bundesstraße 33

Meine Erinnerungen an den Flugplatz, auf dem ich gleich landen werde, reichen über 50 Jahre zurück. Damals lag der Platz noch dichter am Stadtzentrum, östlich der Straße, die man heute direkt vor der Schwelle 30 überfliegt. Auf der Südseite des weitläufigen Wiesengeländes stand ein großer Holzhangar mit gewölbtem Dach, davor für einen Sechsjährigen unfassbar viele Flugzeuge. Es war das „4. Internationale Fliegerwochenende“ im Mai 1963. 


Was für ein Flugplatz! Schon 1919 verkehrte die Deutsche Luftreederei zwischen Konstanz und Berlin, zwei Jahre später gab es eine Luftpostlinie nach München, ab 1925 eine Lufthansa-Verbindung bis nach Frankfurt.

„Tante Henriette hat uns Kindern immer die Pfefferminzbonbons gegeben, die sie vor dem Start bekam“, erzählte mein Vater, und obwohl er auf der Schweizer Seite des Bodensees aufwuchs, war ihm die Luftfahrt in Konstanz nicht entgangen: „Der Truckenbrodt hat mit seinem Flugboot vom Stadtgarten aus Rundflüge durchgeführt …“; „… wenn drüben in Friedrichshafen die Do-X gestartet ist, war das quer über den See zu hören …“; „… der Zeppelin hat über dem Hafen immer kurz den Bug gesenkt, um sich vor dem Zeppelin-Denkmal zu verbeugen, der Graf ist ja in Konstanz geboren …“ 


Und jetzt wollen sie den ältesten Verkehrslandeplatz Deutschlands dichtmachen! Würde eine Stadt ihren Hafen aufgeben, bloß weil irgendjemand Interesse an dem Gelände bekundet?
 Landung auf der „30“ und links raus aus der Bahn.

Ausflug an den Bodensee

An der Flightline treffe ich Berndt Stadelhofer, Gesellschafter der Flughafen GmbH und Flugschulbetreiber. Er empfiehlt mir an diesem heißen Tag eine Radtour um die Reichenau, der Uferweg führt an mehreren Badestellen vorbei. Im Sommer ist dieser Teil des Bodensees zwei Grad wärmer als der übrige See; speziell der Gnadensee zwischen Reichenau und Allensbach kann karibische 26 Grad erreichen.

So lieblich er aussieht – mit einer Gnade der Natur hat sein Name nichts zu tun: Wen im Mittelalter die Gerichtsbarkeit auf der Insel zum Tode verurteilte, den erwartete am nördlichen Festland die Vollstreckung. Begnadigte der Abt den Verurteilten allerdings noch, bevor das Boot den See überquert hatte, ließ er eine Glocke läuten, um den Henker zu stoppen. 


Erst mal was trinken. Mit einem Flugplatzfahrrad radle ich stadteinwärts an den Rhein. Heading: Immer in Richtung des Wasserturms auf dem Gelände einer ehemaligen Zeltfabrik. Im Biergarten des Restaurants „Bleiche“, direkt am Ufer, entspanne ich mit Blick aufs Gottlieber Schloss. 


Statt zur empfohlenen Reichenau radle ich weiter rheinaufwärts zum Strandbad Hörnle. Der Weg führt durch einen neuen hippen Stadtteil am Wasser; moderne Architektur, Bürogebäude und Wohnungen – kaum zu glauben, dass auf den kostbaren Ufergrundstücken mal schäbige Fabriggebäude standen. Erinnert irgendwie an die Hamburger HafenCity, bloß viel kleiner.

Über die Promenade an der Seestraße und die Schmugglerbucht erreiche ich das Hörnle, einen Park in bester Lage. Vom Badefloß vor der Landzunge wandert mein Blick im Kreis: zu den Weinbergen bei Meersburg, Richtung Friedrichshafen – es muss gigantisch gewesen sein, eine Do-X übers Wasser ankommen zu sehen! -, auf die Allgäuer und die Vorarlberger Alpen, zum mächtigen, bis weit in den Sommer schneebedeckten Säntis, der mit seinen 8200 Fuß alles in der Region überragt, zu den ineinander übergehenden Städten Kreuzlingen und Konstanz, zum Hafen, Münster, Konzil …

Wahrzeichen: Konzil-Gebäude aus dem 14. Jahrhundert, österreichisch und deutsch beflaggte Schiffe. Zusammen mit der Schweiz teilen sich drei Nationen den See

Im berühmtesten Gebäude der Stadt fand 1417 die einzige rechtmäßige Papstwahl nördlich der Alpen statt. Dahinter, in den mittelalterlichen Gassen der Niederburg, stammen
 viele Gebäude aus dem 12. bis 15.
Jahrhundert. „Weinteufele“, „Wein
glöckle“, „Niederburg Weinstube“ – so besoffen kann man gar nicht sein, um in der Altstadt zu übersehen, welches Getränk die Badener bevorzugen.

Dass die Stadt im Zweiten Weltkrieg unversehrt blieb, verdankt sie übrigens einer List: Nachts ließen die Konstanzer die Lichter an, wie die Kreuzlinger. Die Bomberbesatzungen der Alliierten glaubten deshalb, es handle sich um schweizerisches Gebiet – sie flogen weiter und warfen ihre Fracht über Friedrichshafen ab.

Heute profitiert die Stadt
 erneut von der Schweiz: Durch das Preisgefälle und die Mehrwertsteuer-Erstattung shoppen die Nachbarn gern „im Dütsche“. Das schwemmt viel Geld nach Konstanz, führt aber auch zu einer überlaufenen Innenstadt und leeren Geschäften auf der Schweizer Seite.

Die Zusammenarbeit der beiden Kommunen klappt dennoch gut – in Konstanz gibt es einen Schweizer Bahnhof, teilweise nutzt man die gleiche Wasser- und Gasversorgung, und vor elf Jahren entfernten die beiden Bürgermeister sogar den Grenzzaun im Stadtteil Klein Venedig.

Hotel Graf Zeppelin: Der Begründer des Starrluftschiffbaus ist in 
Konstanz geboren

Immerhin: Die Schweiz gehört nicht zur EU. Da die Länder aber darauf bestanden, den Grenzverlauf weiterhin zu markieren – was die Alemannen beidseits der Grenze amüsierte -, schuf man eben eine Kunstgrenze. Sie besteht aus 22 Skulturen des Objektkünstlers Johannes Dörflinger.
 In der Bucht, an der sie endet, findet jedes Jahr das wichtigste Ereignis des Sommers statt, das Seenachtsfest (diesmal am 12. August). Livemusik, Straßenkunst und Vorführungen auf dem Wasser bilden das Vorspiel für eines der spektakulärsten Seefeuerwerke Europas, und natürlich machen auch die Schweizer mit.

Der Flugplatz wird dann zum Campingplatz; ein Shuttlebus bringt die Besucher in die City und zurück. Wer mit dem Flugzeug kommt, kann an solchen Wochenenden nur bis Freitagmittag landen und erst am Montag wieder starten. 


Als ich mich auf den Heimweg mache, verlasse ich die Platzrunde nach Norden. Hamburg ist mein Ziel. Irgendwie falsch, wie sich das anfühlt: die Alpen im Rücken und der nach hinten verschwindende See. Kein Wunder, wenn man als Tourist abreist aus seiner Heimatstadt.

Blumeninsel: Mit ihrer spektakulären Vegetation ist die Mainau ein Juwel im Bodensee



Sehenswertes rundum Konstanz am Bodensee

  • Insel Mainau . „Blumeninsel“ mit Barockschloss, Parks und Gartenanlagen, mediterrane, subtropische und tropische Vegetation, unter anderem Riesenmammutbäume und Zedern, Schmetterlings- und Palmenhaus, Sonderschauen mit Orchideen, Tulpen, Narzissen etc.; erreichbar per Stadtbus Linie 4; www.mainau.de
  • Imperia . langsam rotierende „Freiheitsstatue“ des Bildhauers Peter Lenk am Ende des Hafenstegs, neun Meter hoch, 18 Tonnen schwer; als Narrenkrone tragende Kurtisane mit Papst und Kaiser in ihren Händen nimmt sie die einstigen Machthaber auf die Schippe. Lenks Atelier und Garten mit Kunstwerken ist im nahe gelegenen Bodman.
  • Konzil-Gebäude . Warenlager und Handelshaus aus dem 14. Jahrhundert, während des Konstanzer Konzils (1414 bis 1418) Versammlungsort zur Wahl von Papst Martin V. Größter mittelalterlicher Profanbau in Süddeutschland.
  • Münster . einstige Bischofskathedrale, Sitzungssaal des Konstanzer Konzils, eine der größten romanischen Kirchen (mit gotischem Turm) Südwestdeutschlands
  • Kulturzentrum am Münster & Wessenberg-Galerie . städtische Kunstsammlung, Ausstellungen mit meist regionalem Bezug; www.konstanz.de/kulturzentrum
  • Kulturzentrum K9 . Live-Musik, Jazzclub, Theater etc.; www.k9-kulturzentrum.de
  • westdeutsche Philharmonie . Konzerte, Tanz, Campusfestival, KlassikNight auf dem Säntis etc.; www.philharmonie-konstanz.de
  • Südwestdeutsche Philharmonie . Konzerte, Tanz, Campusfestival, KlassikNight auf dem Säntis etc.; www.philharmonie-konstanz.de
  • Stadttheater . älteste dauerhaft bespielte Bühne Deutschlands; www.theaterkonstanz.de
  • Rosgartenmuseum . Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt und Region; www.rosgartenmuseum.de
  • Sea Life & Bodensee-Naturmuseum . 35 Becken mit über 3500 Fischen aus heimischen und tropischen Regionen; Museum zur Bodenseelandschaft und Entstehung des Sees; www.visitsealife.com/de/de/konstanz; www.konstanz.de/naturmuseum
  • Bodensee-Therme . Freibad, Indoor-Pools, Sauna etc. direkt am See; www.therme-konstanz.de
„Salatinsel“ Reichenau: Am hinteren Ende des Damms liegt der Flugplatz. Links der Gnadensee, rechts der Schweizer Kanton Thurgau

Wird EDTZ geschlossen?

Seit den siebziger Jahren ist der Bestand des Konstanzer Flugplatzes gefährdet. Grund: Er wird als Areal für neue Gewerbeflächen in Erwägung gezogen. Es gibt allerdings Zweifel, ob Bedarf an solchen Flächen besteht, ob andere Optionen für solche Flächen ausgeschöpft sind und ob sich das Flugplatzgelände für eine alternative Nutzung überhaupt eignet: Es ist zu etwa 90 Prozent überflutungsgefährdet, außerdem könnte wegen des weichen Untergrunds nur ein Drittel der Fläche bebaut werden. Seit Jahrzehnten wird die Betriebsgenehmigung immer nur für fünf Jahre erteilt, was die Investitionsbereitschaft der am Platz ansässigen Unternehmen lähmt. Im Jahr 2015 sprachen sich 11 397 Teilnehmer einer Online-Petition für den Erhalt des Flugplatzes aus. Gegenwärtig lässt die Stadt als Mehrheitseigentümerin der flugplatzbetreibenden GmbH ein Wertschöpfungsgutachten erstellen, das herausfinden soll, welche wirtschaftliche Bedeutung die umstrittene Fläche hat. Mit einer Entscheidung wird noch 2017 gerechnet.

fliegermagazin 7/2017