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Flugplatz Hildesheim – EDVM

Hildesheim …wo liegt das gleich noch mal? Ihrem geringen Bekanntheitsgrad zum Trotz hat die niedersächsische Mini-Großstadt südlich von Hannover viel zu bieten

Von Redaktion

In Hildesheim gibt’s Weltkulturerbe-Bauten, Hochschulen, eines der bedeutendsten Museen der Welt, alte Kirchen – also Kultur pur! Niedersächsisches Understatement lässt solche Superlative allerdings gewöhnlich unter den Tisch fallen. Ein bescheidenes Schild an der Autobahn zum Weltkulturerbe ist alles – dabei wären andere Städte schon froh, nur eine halb so imposante Vergangenheit zu haben. Seit Ludwig der Fromme Anno 815 die Marienkirche baute, ist Hildesheim auf Erfolgskurs. Bischofssitz, Hansestadt, Skulpturkunst- und Bauzentrum, Goldschmiede- und Schreibkunst-Mekka – die 100 000-Einwohner-Stadt sammelt Titel wie einst Michael Schumacher. Zu lesen ist alles seit 1617 in einer der ersten deutschen Zeitungen. Große Teile der schönen Fachwerk-Altstadt, im Zweiten Weltkrieg zerstört, sind wieder aufgebaut. Besonders sehenswert: der Marktplatz und das weltberühmte Knochenhauer-Amtshaus (mit Heimatmuseum) aus dem Jahre 1529.

Ein paar Schritte entfernt rankt der oft fotografierte „tausendjährige“ Rosenstock, dessen Wurzeln sogar die Kriegsbomben überstanden. Hildesheim bietet neben Kultur aber auch Parks und Badeseen, Wander- und Radwege. Und natürlich auch Shopping und gutes Essen, Ehrensache bei so vielen Touristen. Wettergegerbten Küstenmenschen fällt das milde Hildesheimer Klima auf. Die Stadt liegt, umgeben von sanften Hügeln, an den Ausläufern des Harzvorlandes. Wer Abkühlung braucht, badet in einem der Seen oder im Freibad „Johanniswiese“. Ganz Mutige trainieren das Kajak-Wildwasserfahren auf der Innerste. Ähnlich wie die Stadtgeschichte hat auch die Luftfahrt hier Tradition: Im Juni des Titanic-Schicksalsjahrs 1912 holpert eine Etrich-Rumpler-Taube auf den Hildesheimer Innerste-Wiesen aus. Der 50-PS-Flieger hat kühn geschwungene Flächen wie ein Vogel, macht satte 100 Kilometer pro Stunde Reise und wiegt an die 780 Kilo – ein Verkaufsschlager.

Hildesheim: umgeben von sanften Hügeln, an den Ausläufern des Harzvorlandes

Hildesheims erste Landung, und dann so ein Flugzeug! Die Bürger sind begeistert, denn bisher gab’s nur einen Ballonverein. Viele Jahre lang starten und landen Flugzeuge am Ufer der Innerste, bis die Hildesheimer auch einen „richtigen“ Flugplatz wollen. Im Sommer 1927 ist es soweit – nördlich der Stadt, genau am heutigen Ort, weiht man ein schmuckes Landefeld ein. Der Hildesheimer Grasplatz schafft, wovon viele Airports heute nur träumen – er wird Lufthansa-Station zwischen Berlin und Venedig. So brummen Linienmaschinen über den ehrwürdigen Bischofssitz, tummeln sich Segelflieger am nahen Osterberg. 1936, im Jahr der Olympischen Spiele von Berlin, macht man den Mini-Airport zum Fliegerhorst. Hildesheim bekommt Luftlande-Einheiten. Die Anlagen überstehen den Krieg fast unversehrt. Nach dem Zusammenbruch haben Deutsche Flugverbot, aber die englischen Besatzungstruppen zeigen Verständnis: 1950 entsteht ein neuer Aero-Club, voller Optimismus baut man wieder Segelflugzeuge.

1954 ist Flugtag, und ein Jahr später dreht das erste Vereins-Motorflugzeug, eine Auster, Ehrenrunden über die Stadt. 1958 wird die Flughafen GmbH gegründet, neue Hallen entstehen. Dann kommt wieder Militär: erst deutsche Heereshubschrauber, ab 1979 britische Helikopter des 1. Army Air Corps. Die Briten schließen mit den deutschen Clubfliegern einen Vertrag über „Sportflüge“, der für beide Seiten zufriedenstellend klappt. 1993 wird das Gelände wieder ganz zivil, ist jetzt Sonderlandeplatz mit Gewerbegebiet. Das klingt nach schleichendem Verfall, doch clevere Köpfe ergreifen die Chance, auf dem gut erhaltenen Kasernengebiet eine Werft und Flugschulen anzusiedeln. Schon bald verdreifachen sich die Flugbewegungen. Heute sind es 20 000 pro Jahr, der früher verschlafen wirkende „Grasplatz mit Kaserne“ hat eine feste Bahn mit Rollweg. Alle Gebäude sind frisch gestrichen und bestens in Schuss. So nutzt man Ex-Militärflugplätze richtig – ohne ständig einfallslos Messehallen, Baumärkte und Wohnblocks mitten auf die Startbahnen zu klotzen.

EDVM – so nutzt man Ex-Militärflugplätze richtig

Klemens Wirries zieht die Cessna-Tür zu. Draußen herrscht Affenhitze, und wir freuen uns auf einen Sprung in kühlere Luftschichten. Der bärtige Hildesheimer macht ein verschmitztes Gesicht. „Wir haben hier eine tolle Platzrunde, wollen wir die mal abfliegen?“ Leise Ironie in der Stimme verrät: Hier ist Lärmschutz angesagt. Auf geht’s: kurz nach dem Abheben von der „25“ legt Klemens eine Rechtskurve ein. „Auf dem Tower hängt eine Karte mit krachempfindlichen Punkten“, winkt er ab, „es ist halb so schlimm.“ Hildesheim hat Platz und ist ausnahmsweise nicht ganz von Neubaugebieten umschlossen. So brummen wir bei wolkenlosem Himmel über viel Grün und Wasser einmal um die schöne Altstadt, die ersten Harz-Hügel sind nicht weit. Auf dem Hohnsensee schippern allerlei Boote, im Johanniswiese-Freibad und am Ufer der Innerste sieht man Menschen beim Baden.

Von oben ist zu erkennen, wie See, Fluss und Bahnlinie die Stadt aufteilen: Da gibt es das wieder aufgebaute Zentrum voller Fachwerk und altem Gemäuer, schattige Alleen und Villen und weiter außerhalb gepflegte Neubaugebiete. Orte wie Hildesheim landen bei Lebensqualität-Umfragen auf den vorderen Plätzen. Eine Ehrenrunde im Norden des Flugplatzes, der Anflug von Osten ist frei. Wiesen und Felder, ein paar kleine Dörfer; dann kommt schon die A 7 und gleich dahinter die „25“. Merkwürdig: Von hier wirkt die 1100-Meter-Piste glatt doppelt so groß, der „maßstabsgerechte“ Abstand zum Rollweg sorgt für eine optische Täuschung. Alles sieht eher wie ein kleiner Regionalflughafen aus. Unsere Cessna landet butterweich. „An der anderen Seite gibt’s öfter Verwirbelungen, da kann es schon mal rumpeln“, schmunzelt unser Pilot. „Vor der Schwelle sind Fluss und Industriegebäude. Gastpiloten sollten auf leichte Turbulenzen achten.“

Unsere Cessna landet butterweich: Alles sieht eher wie ein kleiner Regionalflughafen aus

Am Clubheim braten freundliche Herren in der Sonne, es gibt Kaffee und Kuchen. Jetzt, zur Siesta-Zeit, schrubben nur noch ein paar UL-Tragschrauber durch die Hitze: Hildesheim ist Standort von Autogyro Europe, einem der beiden deutschen Tragschrauber-Anbieter. Vereinsvorsitzender Jürgen Houcken führt uns ins schattige Büro, wo Klemens Wirries gerade die Flugdaten in den Club-PC tippt. „Hier wird gerade automatisch eine Rechnung erzeugt“, strahlt Houcken. Neugierig mustere ich die Eingabefelder auf dem Schirm; sie wirken übersichtlich wie bei einem Online-Shop. „Software aus Hildesheim“, meint Houcken stolz. Zwei seiner Vereinspiloten haben das Programm Aircraft Info Desk entwickelt, das die Buchung und Verwaltung von Flugzeugen ermöglicht.

„Seit über fünf Jahren sind wir mit unseren Internet-Buchungssystemen sehr erfolgreich“, freut sich auch Ingo Battis, einer der beiden Schöpfer. „Am PC kann man zu Hause die ganze Flotte abrufen: Verfügbarkeit der Flugzeuge, Mängellisten, Reststunden bis zur nächsten Kontrolle, Online-Bordbuch.“ Per E-Mail und SMS wird der Wunschflieger klargemeldet. Das Programm erkennt sogar den Lizenzablauf. „Ohne gültigen Schein ist der Teilnehmer automatisch aus dem Rennen“, grinst Houcken. „Das System überzeugt auch Skeptiker im Verein.“ Damit sind eingeschworene JAR- FCL-Gegner und Computerhasser gemeint. Vor einiger Zeit wurde der Hildesheimer Verein mit dem Hannoveraner Club zusammengelegt, weil Kleinflugzeuge auf dem großen Nachbar-Airport einst nicht so gern gesehen waren.

Zusammenlegung der Clubs von Hildesheim und Hannover

„Das hat sich allerdings um 180 Grad geändert“, betont Jürgen Houcken. Jedenfalls klappte die Schaffung des 450-Mitglieder-Großclubs ohne Schrammen. Houcken freut sich auf die Zu- kunft: „Die Strippen für Nachtflugbefeuerung liegen schon, vielleicht bekommen wir auch mal einen GPS-Anflug.“ Mehr wollen die Hildesheimer gar nicht, schließlich ist der Hannover Airport unter dessen neuem Chef absolut General-Aviation-freundlich und gleich um die Ecke. Eines haben sie bewiesen: wie man aus einem alten Fliegerhorst einen schmucken Zivilplatz macht, bevor die wertvolle Bausubstanz wegbröselt und Bagger die Piste umpflügen.

Mir wärmt es das Herz, denn wie Klemens Wirries flog ich mal beim Bund und bin in Hildesheim geboren. Wirries blickt nachdenklich einem startenden Ultraleicht-Zwerg nach. „Meine Flugzeuge werden immer kleiner“, murmelt er, „vom Luftwaffenhubschrauber über die Echo-Flieger zu so einem Joghurtbecher.“ Gerade will ich zum Trost ein Plädoyer für Kleinflugzeuge halten, als mein Nachbar mich schelmisch von der Seite anschaut. „Ist doch egal, die Größe“, meint er, und alles nickt: „Hauptsache in der Luft.“

Hildesheim: Tipps und Infos

So kommt man hin: Ein mächtiger weißer Kaliberg im Norden weist den Weg: Der Flugplatz Hildesheim am nördlichen Stadtrand ist leicht zu finden. Einfach der Autobahn A 7 folgen und in die 1200-Fuß-Nordplatzrunde einfädeln; das Gelände ist flach. Benachbarte kleinere Ortschaften sollten gemieden werden. Funkhilfen: DVOR „Leine“ (DLE, 115,20 MHZ) 2 NM nördlich des Gegenanfluges. Auf der VOR läuft die ATIS des Nachbarflughafens Hannover (EDDV).

  • Unterkünfte: Empfehlenswert ist das Hotel Le Meridien am Marktplatz, Telefon 05121/3000. Weitere Hotels und Pensionen über Tourist-Information Hildesheim, Telefon 05121/17980.
  • Aktivitäten: Der Hildesheimer Dom (erbaut 872) zählt zum UNESCO-Weltkulturgut, das Knochenhaueramtshaus mit Stadtmuseum (Anno 1592, wiederentstanden Ende der achtziger Jahre) gilt als schönstes Fachwerkhaus der Welt. St. Michael (erbaut 1010 bis 1030), eine frühromanische Kirche, zählt mit ihrer berühmten Holzdecke aus dem 13. Jahrhundert zum UNESCO-Weltkulturgut. Einen Ausflug wert ist auch das Römer- und Pelizaeus-Museum, hier finden sich bedeutende Altägypten- und Alt-Peru-Sammlungen. Sport und Freizeit lassen sich am besten am Hohnsensee, einem Naherholungsgebiet mitten in der Stadt erleben, das auf 26 700 Quadratmetern künstlich mit einem Strandbad angelegt ist. Am Kanustützpunkt, Telefon 05121/133983, ist Wildwassersport und Hindernisparcours mit Kanu-Slalom-Strecke auf der Innerste möglich, Infos unter www.kanuzentrum.de
    Das Sport- und Freizeithallenbad „Wasserparadies“, Telefon 05121/15070, lädt nicht nur im Sommer ein, dort den Tag zu verbringen.

Text und Fotos: Rolf Stünkel, fliegermagazin 9/2005