Flugplatz Heidelberg – EDGX
Von Dichtern besungen, von Studenten verklärt, von Touristenscharen in Film und Foto verewigt – Heidelberg gilt als eine der schönsten Städte Deutschlands. Vom Flugplatz Walldorf ist die Universitätsstadt am Neckar ganz nah
Hier fängt Deutschland an, Italien zu werden“ – das soll der österreichische Kaiser Franz Joseph gesagt haben, als er 1764 an die Bergstraße kam. Schon damals war das Zusammenspiel mediterraner und süddeutscher Einflüsse am westlichen Rand des Odenwalds charakteristisch. Heute meinen Besucher in dieser Region gerne mal eine französische Leichtigkeit festzustellen. Heidelberg allerdings, die bedeutendste Stadt an der Bergstraße, muss gar nicht anfangen italienisch oder französisch zu sein. Das Prädikat „mediterran“ als Synonym für Schönheit und eine reiche Kulturlandschaft wirkt hier geradezu verkehrt. Eher könnte man sagen, Sienna sei Italiens Heidelberg oder das südfranzösische Ex-en-Provence von der Stadt am Neckar inspiriert. Denn seit Jahrhunderten zieht Heidelberg Menschen aus aller Welt an, heute besonders als Sinnbild deutscher Romantik.
Hat man die Stadt früher meist durch das turmbewehrte Südtor an der alten Karls-Brücke betreten oder westlich aus der Rheinebene kommend, so bietet sich den Besuchern heute zuerst der klotzige Bahnhof oder die Autobahnabfahrt mit Blick auf wenig charmante Vorstadthäuser. Luftwanderer haben es da besser: Ohne Bahnhofshektik und Vorstadtödnis, von Wiesen und Feldern umgeben, empfängt der Flugplatz Walldorf südlich von Heidelberg seine Besucher. Die 505-Meter-Graspiste in Nord-Süd-Richtung ist für leichte Einmots problemlos und hindernisfrei anfliegbar. Die Geschichte des Platzes reicht bis in die Nachkriegsjahre zurück: Nachdem die Westalliierten wieder Segelflug in Deutschland zulassen, finden sich 1951 einige Fliegerfreunde an der Bergstraße zusammen und gründen den Aero-Club Walldorf. 20 Mitglieder hat der Verein damals. Das erste Flugzeug entsteht in neunmonatiger Bauzeit: eine einsitzige SG-38.
Walldorf: Erst 1970 erhält die Grasbahn offiziell den Status eines Sonderlandeplatzes
Für den Erstflug nutzt man den Flugplatz in Bruchsal, da sich die Verhandlungen mit Landwirten und Regierungspräsidium in Walldorf schwierig gestalten. Kurz darauf einigt man sich aber doch auf einen geregelten Flugbetrieb. Erst 1953 kauft der Aero-Club einen zweisitzigen Doppelraab und dazu die erste eigene Winde. Drei Jahre später dürfen auch Motorflugzeuge auf der Graspiste starten und landen. 1960 beginnt man mit dem Bau einer Flugzeughalle. Das Projekt verzögerte sich allerdings, erst 1963 wird der Mittelteil kurz vor dem Wintereinbruch fertiggestellt. Immerhin bewahrt die halbfertige Flugzeughalle im folgenden Winter eine ganze Schafherde vor dem Kältetod. Nicht die eigentliche Bestimmung des Projekts, aber doch ein gutes Omen.
Erst 1970 erhält die Grasbahn offiziell den Status eines Sonderlandeplatzes. Das benachbarte Wohngebiet breitet sich derweil weiter aus und ist zwei Jahre später so nah an den Flugplatz herangerückt, dass der Windenbetrieb zu riskant wird. Segelflugzeuge werden jetzt nur noch per F-Schlepp in den Himmel gezogen. Denn auf gute Nachbarschaft legt man in Walldorf von Anfang an großen Wert. Schließlich sind die Flieger hier nicht wie an den meisten Plätzen viele Kilometer vom nächsten Ort entfernt: Nur wenige Schritte läuft man von der Piste in die Stadt. Die Vereinshalle steht wie eine etwas zu groß geratene Garage zwischen Wohnhäusern in der Lilienthalstraße.
Auch der Bahnhof ist vom Flugplatz aus zu Fuß schnell erreichbar. Gerade mal zwölf Minuten fährt man von dort mit dem Zug ins nahe Heidelberg. Ganz nah und doch seltsam entrückt scheint die Stadt am Neckar. Auf merkwürdige Weise vereint sie jugendlichen Überschwang und ehrwürdiges Alter. Studenten sonnen sich auf den Neckarwiesen, eilen über den Uniplatz, füllen die Jahrhunderte atmenden Gassen mit Leben. Die Geschichte ist hier präsenter als anderswo, gibt der Stadt trotz ihrer touristischen Vereinahmung eine besondere Tiefe. Eine Siedlung am Neckar, die den Namen Heidelberg trägt, wird erstmals im Jahr 1196 urkundlich erwähnt.
Bereits im 13. Jahrhundert hat Heidelberg den Charakter einer Residenzstadt
Der Ort besteht zu dieser Zeit aus einer Burg am Hang des Königsstuhls und einem Burgweiler am Fuße des Berges. Viele der heutigen Stadtteile Heidelbergs gehen jedoch auf Dörfer zurück, die bereits im sechsten Jahrhundert, zur Zeit des Frankenreichs, gegründet wurden. Bereits im 13. Jahrhundert hat Heidelberg den Charakter einer Residenzstadt, eine wehrhafte Stadtmauer wird gebaut. Das einzige Zeugnis dieser mittelalterlichen Befestigungsanlage ist der Hexenturm, der noch heute im Innenhof der Neuen Universität steht. Kurfürst Ruprecht I. gründet im Jahr 1386 die Universität Heidelberg als dritte Hochschule im Heiligen Römischen Reich nach Prag und Wien. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wird sie zu einer Hochburg des frühen Humanismus. Neben der Universität gewinnt die Festung oberhalb der Stadt große Bedeutung für die Stadt.
Kurfürst Friedrich V. lässt sie im frühen 17. Jahrhundert durch den Bau des Hortus Palatinus zum Residenzschloss umgestalten, im Pfälzischen Erbfolgekrieg wird die Anlage von französischen Truppen zerstört. Danach sind die Gemäuer unbewohnbar; dem barocken Zeitgeschmack, der großzügige Schlossanlagen nach dem Vorbild von Versailles bevorzugte, entsprechen sie ohnehin nicht mehr. Ausgerechnet durch diese Ruinen wird Heidelberg Anfang des 19. Jahrhunderts zum Inbegriff deutscher Romantik. Friedrich Hölderlin, Ludwig Achim von Arnim, Clemens Brentano und Joseph von Eichendorff machen die Stadt zwischen Philosophenweg und Schlossberg zum heiligen Ort der Dichter und Denker. Literaturwissenschaftler sprechen später gar von der Epoche der „Heidelberger Romantik“.
Heute strömen Touristen durch die alte Aula der Universität und den legendären Studentenkarzer
Diese Strahlkraft wirkt bis ins 20. Jahrhundert nach: Joseph Victor von Scheffels Gedicht „Alt-Heidelberg, du feine“, später auch als Studentenlied bekannt, und das Schauspiel Alt-Heidelberg prägen das Bild eines romantisch verklärten Studentenlebens. Heute strömen Touristen durch die alte Aula der Universität und den legendären Studentenkarzer, in den man im 19. Jahrhundert aufsässig Studenten zur Züchtigung einsperrte. Noch immer ist die Stadt zwischen Königsstuhl und Heiligenberg ein Ort der Denker. „Dem lebendigen Geist“ steht über dem Eingang der Neuen Universität. In den Hörsälen haben Generationen von Studenten und Professoren gelehrt, gedacht und wohl auch hin und wieder geschlafen.
Viele bekannte Wissenschaftler, Philosophen und Dichter haben in Heidelberg ihre Spuren hinterlassen und sind bis heute untrennbar mit der Stadt verbunden. Allzu logisch scheint es da, dass Denker hier schon heimisch waren, als von Zivilisation noch keine Rede war: Der Homo Heidelbergensis, einer der ältesten bekannten Vertreter der Gattung Homo, lebte schon vor über 600 000 Jahren im Neckartal. Das belegen Knochenfunde von 1907 in einer Sandgrube südlich von Heidelberg – damals eine Weltsensation. Nur wenige Kilometer entfernt, auf der kleinen Graspiste bei Walldorf an der badischen Bergstraße, erheben sich Menschen von heute wie selbstverständlich in die Luft. Hätte man das einem Homo Heidelbergensis erzählt, er hätte einem wohl den haarigen Rücken zugedreht und wäre ungläubig davon gegangen
Heidelberg – Tipps und Infos
- So kommt man hin: Von Süden führt die Route übers Rheintal entlang der Autobahn 5, die auch von Norden eine gute Orientierung bietet. VFR-Piloten, die von Westen oder Osten kommen, nutzen sie als Auffanglinie beim Anflug auf EDGX. Der Flugplatz liegt nordöstlich des Walldorfer Kreuzes, wo sich A5 und A6 treffen. Für eine Stärkung nach der Landung ist das Flugplatz-Café und Restaurant Curtiss sehr zu empfehlen.
- Unterkunft: In Walldorf bietet das Hotel Holiday Inn einen Shuttle-Service zum Flugplatz an. Für gehobene Ansprüche sind in Heidelberg das Hotel zum Ritter oder der Europäische Hof empfehlenswert. Weitere Informationen unter www.heidelberg-marketing.de.
- Aktivitäten: Kunstverein, Kurpfälzisches Museum oder Apotheker-Museum sind nur die bekanntesten der vielen sehenswerten Ausstellungen und Sammlungen in Heidelberg. Neben der Altstadt lohnen auch Abstecher in die Stadtteile Neuenheim, Bergheim oder das beschauliche Handschuhsheim. Wunderbare Waldspaziergänge führen über die verschlungenen Pfade des Philosophenwegs am nördlichen Neckarufer zu den Ruinen der ehemaligen Klosteranlagen St. Stephan und St. Michael sowie zur Thingstätte, einer antiken Theatern nachempfundenen Freilichtbühne aus der Zeit des Nationalsozialismus.
Text und Fotos: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 11/2009