Flugplatz Ganderkesee – EDWQ
Das Atlas Airfield in Ganderkesee bei Bremen ist vor allem durch die dort ansässige Werft bekannt geworden. Doch der Platz hat viel mehr zu bieten – und die Umgebung erst recht
Hier heißt alles irgendwie Atlas: Das Airfield sowieso. Auch der Atlas Air Service, die große Werft vor Ort. Dann gibt es noch das AAG Aerodrome, eine Hangaranlage, und die Flugschule AAG Flight Academy. Da steht „AA“ natürlich auch für Atlas und Air. Der Grund für die Faszination mit dem Titanen, der in der griechischen Mythologie das Himmelsgewölbe im Westen abstützt, liegt in der Vergangenheit: 1969 gründete Jochen Sauer den Platz, eigentlich war er damals für Vereine gedacht. Aber 1971 folgte der Atlas Air Service – und seitdem bietet es sich einfach an, so viel wie möglich nach Atlas zu benennen. Jahrzehntelang war AAS der Wartungsbetrieb und auch der Händler für Cessnas – nicht nur im Norden.
Erst vor kurzem endete zumindest die Rolle des Atlas Air Service als Händler des Herstellers aus Kansas, in der Wartung kennt man sich mit den Mustern der US-Marke immer noch bestens aus, und zwar von der kleinen C150-Schulmaschine über die mächtige Turboprop Caravan bis zum Citation-Jet. Für letztere ist der Platz mit seiner 836 Meter langen Bahn inzwischen ein wenig knapp, die Aktivitäten des Atlas Air Service verlagern sich an andere Standorte, etwa an den Flughafen Bremen. Und der ist sehr nah dran: Wer nach Ganderkesee will, muss zuvor die Luftfahrtkarte genau studieren. Nur zwei Nautische Meilen östlich beginnt die Kontrollzone von Bremen schon am Boden; genau über dem Platz verläuft die Linie, auf deren Ostseite der Luftraum D in 1500 Fuß beginnt, westlich davon in 2500 Fuß. Man muss also peinlich genau auf den Luftraum achten.
Wer nach Ganderkesee will, muss zuvor die Luftfahrtkarte genau studieren
Und dann steht da noch der schmale, kaum erkennbare Funkturm eines Mittelwellen-Radiosenders gleich nordwestlich der Platzrunde. Bis auf 1078 Fuß ragt er auf – die Platzrunde verläuft tiefer, auf 1000 Fuß. Da sollte man die Augen aufhalten. Immerhin lässt sich die ATIS-Ansage von Bremen mitbenutzen, die Wetterunterschiede sind gering, 132,375 MHz ist die Frequenz. Man kann also zur Wartung nach Ganderkesee kommen – aber es gibt auch noch eine Menge anderer Gründe. „Jeder, der sich fürs Fliegen begeistert, ist ein Freund“, so lautet das inoffizielle Motto am Platz. Und tatsächlich sind schon die Flugleiter ausnehmend freundlich und hilfreich. Restaurant samt Hotel beruhen ebenfalls auf dem Einfallsreichtum des Platzgründers: Das Hotel mit seinen 25 Zimmern direkt hinter der Piste erinnert an ein typisch amerikanisches Motel – und genau so war es beim Bau beabsichtigt.
Das Restaurant bietet in einem lichtdurchfluteten Wintergarten oder auf einer Terrasse beste Sicht aufs Vorfeld. Von 8 bis 22 Uhr ist geöffnet. Beim sonntäglichen Frühstücksbuffet kann es allerdings schon mal voll werden: 250 Gäste sind dann keine Seltenheit. Sie kommen nicht ohne Grund, das leckere Essen bietet ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis. Ein kleines Fliegerparadies versteckt sich in den Hallen rundherum: Hier gibt es fünf Vereine, dazu Fallschirmspringer, ab und an Modellflugtage und einen riesigen Hangar, das AAG Aerodrome, der sich bei näherem Hinsehen als ehemalige Tennishalle entpuppt. Das nächste große Fly-in ist übrigens für den 10. und 11. September geplant.
„Jeder, der sich fürs Fliegen begeistert, ist ein Freund“
Wer eine Ausgangsbasis für die Erkundung des Nordens und seiner Inseln sucht, ist hier gut aufgehoben: Das Hotel liegt direkt am Platz, für Leib und Wohl ist gesorgt, aber die Preise bewegen sich nicht annähernd auf dem Niveau der Tourismus-Hochburgen an der Nordsee, die dennoch mit dem Flugzeug blitzschnell zu erreichen sind. Eigentlich schließt der Flugplatz 30 Minuten nach Sonnenuntergang, doch die Bahn ist befeuert, sodass nach vorheriger Absprache Nachtflug möglich ist. Aber auch in der Umgebung des Platzes ist viel zu entdecken. Mit dem Taxi kommt man schnell zum Bahnhof Ganderkesee und von dort in 20 Minuten nach Bremen oder Oldenburg, den beiden nächstgelegenen größeren Städten. Bremen bietet eine Fülle von Sehenswürdigkeiten, darunter natürlich die Statue der Stadtmusikanten, die jeder wohl mal seinen Kindern zeigen möchte.
Beim Flugplatz-Restaurant kann man Fahrräder ausleihen – für Hotelgäste ist dieser Service kostenlos, sodass man besser vorher anrufen und reservieren sollte, wenn man nicht im Hotel übernachtet. Der Flugplatz liegt im Naturpark Wildeshauser Geest, der ein gut ausgebautes Netz von Fahrradwegen aufweist. Durch das Gebiet verläuft der Fluss Hunte, der bei Kanufahrern sehr beliebt ist. Vermietungen gibt es an einigen nahegelegenen Orten; wer sich vorher mit den Anbietern abspricht, kann ein paar aufregende Stunden auf dem Wasser verbringen. Gleich nördlich des Platzes, mit dem Fahrrad gut erreichbar, befindet sich der Urwald Hasbruch, ein europaweit bedeutendes Naturschutzgebiet mit viel unberührter Natur, in der faszinierend gewachsene Baumriesen stehen.
Ein Stück weiter gen Norden findet sich die Ruine des Klosters Hude, einer Zisterzienserabtei aus dem Jahr 1232. Hoch ragen die Mauerreste im Stil der typisch norddeutschen Backsteingotik auf, ein Spaziergang dazwischen lohnt sich. Gleich daneben liegt die Klosterschänke, ein Restaurant, auf dessen Terrasse sich die Stimmung der Umgebung genießen lässt. Ein Schluck Klosterbräu ist eine große Versuchung, die dann aber zur Übernachtungspflicht führt. Die Künstlerkolonie Worpswede kennen viele, sie liegt zwar in der Nähe, doch man braucht schon ein Auto, um die knapp 50 Kilometer dorthin zu bewältigen. Viel näher, nämlich nur 17 Kilometer vom Flugplatz entfernt und damit gut in Fahrrad-Reichweite, liegt Dötlingen: eine der drei Künstlerkolonien, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts um Bremen gründeten (Dangast ist die dritte.)
In Dötlingen gibt es einige historische Fachwerkhäuser mit Reetdach, wie sie für die Gegend typisch waren. Die Künstler, die sich damals ansiedelten, haben den Ort bis heute erkennbar geprägt, vor allem aber kann man spüren, wie die Umgebung kreative Köpfe zur Landschaftsmalerei inspiriert haben muss. Das Naturerlebnis genießen Besucher auch auf den Radwegen in der Wildeshauser Geest und entlang der Hunte. So erweist sich das Atlas Airfield beim Besuch als ein kleines Juwel: In der Umgebung lässt sich einiges anstellen, doch dank der freundlichen Atmosphäre und des guten Restaurants eignet sich EDWQ auch bestens für das, was amerikanische Piloten so treffend 100-Dollar-Burger nennen: Einfach mit ein paar Freunden irgendwo hinfliegen, etwas essen, ein bisschen umschauen und wieder zurückfliegen – so geht ein perfekter Fliegertag.
Ganderkesee – Tipps und Infos
Die Kontrollzone Bremen beginnt über dem Platz in 1500 Fuß MSL Höhe, etwa zwei Nautische Meilen östlich reicht sie bis zum Grund. Nordwestlich des Platzes befindet sich ein Funkmast knapp außerhalb der Platzrunde, er ist 1078 Fuß hoch; die Platzrunde verläuft in 1000 Fuß.
fliegermagazin 03/2016