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Flugplatz Essen/Mülheim – EDLE

Ein Flug über das Ruhrgebiet ist nicht ganz anspruchslos und niemals langweilig.
 Es gibt hier noch Schwerindustrie, aber auch viel Grün – und kulturelle Vielfalt

Von Redaktion

Mein Fliegerfreund Robert und ich möchten das Ruhrgebiet erkunden. Bei der Planung der Strecke, die uns zu den herausragendsten Sehenswürdigkeiten und markanten Wegpunkten des Ruhrgebiets führt, kringeln wir alle Orte unserer Schnitzeljagd auf der Karte rot ein. Unser Ziel liegt schließlich mittendrin: Essen/Mülheim. Der Flugplatz ist einer der ältesten in Deutschland. Er feierte im September 2015 seinen 90. Geburtstag. Wir kommen aus Westen, also ist unser erstes Ziel der Duisburger Hafen. Der liegt auf der rechten Rheinseite, wo auch der Rhein-Herne-Kanal über eine Schleuse in den Rhein übergeht. Aus dem Fernsehen bekannt ist der Stadtteil Ruhrort, Schauplatz für die legendären Schimanski-Tatorte. Am noch recht neu umgestalteten Binnenhafen kann man heutzutage gepflegte und abwechslungsreiche Gastronomie genießen.

Nordöstlich vom Duisburger Hafen erkennen wir schon aus der Ferne den Gasometer und die Neue Mitte Oberhausens, das Centro – „Einkaufszentrum“ ist nicht ganz das passende Wort für dieses gewaltige Areal mit vielfältigen Möglichkeiten für Shopping, Gastronomie und Unterhaltung. Hier verlaufen die Autobahn A42, die Emscher und der Rhein-Herne-Kanal parallel zueinander in Ost-West-Richtung. Der Gasometer beherbergt wechselnde Ausstellungen; an seiner Außenseite hängt noch das riesige Plakat der letzten (und mittlerweile beendeten) mit Namen „Schöner Schein“, es ist sogar aus 2000 Fuß Höhe gut lesbar. Südlich von uns sehen wir bereits eine große grüne Fläche auf einer Anhöhe: den Flugplatz Essen/Mülheim. Doch bevor wir landen, wollen wir noch ein paar Wegpunkte abfliegen. Nördlich an der Stadt Essen vorbei umrunden wir ein UNESCO-Weltkulturerbe, die Zeche Zollverein.

Essen/Mülheim: Der Flugplatz ist einer der ältesten in Deutschland

Die 1932 erbaute Anlage war einst die modernste Steinkohlezeche Europas. Heute ist Zollverein ein Standort für zeitgenössische Kunst, Kultur, Architektur und Kreativwirtschaft. Ein Schlenker nach Norden führt uns vorbei am Kraftwerk Scholven in Bottrop. Die Schornsteine sind gewaltig und eine gute Orientierungshilfe. Vorbei an der durch ihr weißes Dach meilenweit erkennbaren Arena in Gelsenkirchen, dem Stadion des FC Schalke 04, bestaunen wir am Autobahnkreuz Herne eine Sonnenuhr auf einer der vielen heute begrünten Kohlehalden. Weiter gen Süden erreichen wir Bochum, wo wir weitere Relikte der in der Region einst allgegenwärtigen Schwerindustrie identifizieren. Die Jahrhunderthalle beispielsweise: Hier standen Gebläsemaschinen für Hochöfen, heute ist die Halle Industriedenkmal und Kulturzentrum in einem.

Einfamilienhaus: Villa Hügel, Stammsitz der 
Krupp-Dynastie. Eine Besichtigung lohnt sich! (Foto: Heike Schweigert)

Neben Konzerten, Theater und Shows findet dort alljährlich das bedeutendste Kulturfestival im Ruhrgebiet statt: die Ruhrtriennale. Der grüne Förderturm mitten in Bochum hingegen zeigt uns an, wo das Bergbau-Museum steht. Am östlichen Rand des Ruhrpotts gäbe es noch Dortmund mit dem BVB-Stadion und dem Phönix-See mitten in der Stadt zu sehen. Doch wir haben jetzt Kaffeedurst und steuern Essen/Mülheim an. Die Stadt Hattingen und die Ruhr sind unsere südliche Auffanglinie. Der Fluss windet sich durch eine herrlich grüne Hügellandschaft. Wir folgen der Ruhr bis zur Villa Hügel, die nördlich des Baldeneysees auf einer Anhöhe liegt. Der ehemalige Familiensitz der Familie Krupp ist eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten im Ruhrgebiet. Das imposante Gebäude gehört heute einer Stiftung; Park und Villa zählen mit dem See zu den beliebtesten Naherholungszielen des Reviers.

Ein Schlenker nach Norden führt uns vorbei am Kraftwerk Scholven in Bottrop

Nur drei Nautische Meilen westlich der Villa Hügel ist der Flugplatz, wo wir uns zur Landung zwischen den Schulungsflugzeugen einreihen. Heute ist viel los: Im Funk hören wir, wie der Flugleiter einen Z-Flugplan koordiniert; parallel starten Segelflugzeuge von der Graspiste, und ein Heli kommt vom Rundflug zurück. Der „Rote Baron“, eine rot lackierte AN-2, steht ebenfalls auf dem Vorfeld. Auch damit können Gäste Sightseeing-Touren über das Ruhrgebiet buchen. Hinter der grünen WDL-Halle, die wir schon von Weitem gesehen hatten, steht ein Luftschiff. Es ist der neu aufgebaute Blimp, der erst kürzlich seine Erstzulassung erhalten hat. Im Juni 2014 war der Vorgänger bei einem Unwetter stark beschädigt worden. Ein gutes Jahr Bauzeit brauchte „Theo“, wie das neue Prall-Luftschiff heißt.

Die WDL-Gruppe vermarktet es für Filmaufnahmen, Werbezwecke und auch Passagierflüge. Unser Kaffeedurst treibt Robert und mich in die neu eröffnete Gaststätte des Flugplatzes, deren modernes Ambiente auffällig hell und frisch aussieht. Mit etwa 50 Plätzen drinnen und 150 draußen werden hier nicht nur die Piloten, sondern auch Ausflugsgäste bedient. Der Mittagstisch lockt zudem die am Flugplatz angestellten Mitarbeiter an, und im Sommer gibt es am Wochenende Barbecue. Nicht zuletzt steht am einen Ende der Gaststätte ein A320-Simulator: Hier können Besucher auch ohne Vorkenntnisse oder Lizenz mit Unterstützung eines Berufspiloten selbst fliegen und auswählen, welche von 24 000 Flughäfen weltweit sie ansteuern möchten.

Wir kommen aus Westen, also ist unser erstes Ziel der Duisburger Hafen

Der Flugplatz Essen/Mülheim mitten im Revier ist aber mehr als nur Ausflugsziel für Piloten und lokale Gäste. Er gilt als wichtiger Standort für die Allgemeine Luftfahrt der nahen Landeshauptstadt Düsseldorf. Über die täglichen Öffnungszeiten hinaus wird der Platz für Organtransporte rund um die Uhr geöffnet; das ist selbst am Regionalflughafen Dortmund nicht möglich. Für diese und andere Rettungsflüge ist EDLE auch für den Jet-Flugbetrieb zugelassen, der ansonsten hier nicht erlaubt ist. Der Verkehrslandeplatz liegt zwischen Mülheim und Essen; Gesellschafter der Betreibergesellschaft sind beide Städte sowie das Land Nordrhein-Westfalen, das derzeit seinen Ausstieg aus dem bisherigen Trio vorbereitet. Doch dies bedeutet nicht unbedingt das Aus; schließlich bestehen Pachtverträge mit den ansässigen Firmen und Vereinen.

Westende: Bei Duisburg mündet die Ruhr in den Rhein. Wer im Ruhrgebiet unbedingt rauchende Schlote sehen will, wird hier noch fündig (Foto: Heike Schweigert)

Jüngste Entwicklung ist, dass diese sich zum Bündnis „Wir sind Flughafen“ zusammengeschlossen haben und nun versuchen, den Drittel-Anteil des Landes zu übernehmen. Die Landung in Essen/Mülheim kostet mit einer typischen Echo-Klasse-Maschine zwölf Euro, also üblicher Durchschnitt. Finanziert wird der Betrieb des Geländes nicht nur mit der Fliegerei. Ein Hangar steht regelmäßig für Public Viewing von Fußballspielen zur Verfügung– nächstes Jahr beispielsweise wieder zur Europameisterschaft – oder im Sommer als Autokino. Ganz neu ist die Geländevermietung außerhalb des Sicherheitsbereichs: Das „Rüttenscheider Oktoberfest“ hat sich 2015 erstmals mit großen Zelten hier angesiedelt, denkbar wären auch größere Rockkonzerte.

Nordöstlich vom Duisburger Hafen erkennen wir schon aus der Ferne den Gasometer und die Neue Mitte Oberhausens

Veranstaltungen hin oder her – wer nach Essen/Mülheim fliegt, findet wirklich alles, was das Fliegerherz begehrt: eine Erlebnisgastronomie, eine Tankstelle, auf Nachfrage einen Hallenplatz zum Unterstellen des Flugzeugs, Nachtflugbetrieb, eine Autovermietung oder Taxi auf vorherige Anfrage. Alternativ zum Pkw gibt es eine Bushaltestelle direkt vor der Tür, von wo man wahlweise in die Essener oder Mülheimer Innenstadt fahren kann. Das Szeneviertel Essen-Rüttenscheid mit diversen Hotels ist nur zehn Minuten entfernt. Wir stürzen uns in die Entdeckung der Ausflugsziele, die in unmittelbarer Nähe liegen – zumindest beginnen wir damit. Denn eins ist Robert und mir klar: An nur einem Wochenende haben wir bei Weitem nicht genug Zeit, um auch nur annähernd die vielen schon aus der Luft bewunderten Bauten, Kulturstätten und Naherholungsziele zu erkunden.

Essen/Mühlheim – Tipps und Infos

  • So kommt man hin: Hilfreich für die Fliegerei im Ruhrgebiet ist die VFR-Karte Rhein-Ruhr der DFS im Maßstab 1:250 000. Auf ihr sind alle Orte, Autobahnen, Kraftwerke und Kanäle sehr gut erkennbar. Auffanglinien um den Flugplatz Essen/Mülheim herum sind die Ruhr mit dem Baldeneysee im Süden und Westen – der Fluss schlängelt sich um den Flugplatz –, der Rhein-Herne-Kanal im Norden und die Skyline der Stadt Essen im Osten. Der Platz liegt auf einer Anhöhe und ist mit der Nähe zur Autobahn A52 und der markanten Ruhrtalbrücke gut zu finden. Auch die grüne Halle der Luftschiffwerft WDL, die auf der nordöstlichen Seite des Platzes steht, ist von Weitem gut zu sehen. Beim Anflug muss man auf den Luftraum C von Düsseldorf achten: Der Airport liegt nur elf Nautische Meilen von EDLE entfernt. Der Anflug aus Osten verläuft genau südlich des Platzes, daher beginnt Luftraum C um den Flugplatz Essen/Mülheim herum schon in 1500 Fuß. Aufgrund der vielen Flugbewegungen in Essen/Mülheim unterliegt der Flugplatz der Landeplatzlärmschutzverordnung. Wer mit einem Flugzeug ohne erhöhten Lärmschutz nach Essen kommt, darf zu bestimmten Zeiten keine Platzrunden drehen. Der Anflug mit ULs ist leider nicht erlaubt.
  • Unterkunft: Essen und auch Mülheim bieten von der einfachen Frühstückspension bis zum Luxushotel die ganze Bandbreite, die man von größeren Städten gewohnt ist. Eine gute Anlaufstelle ist die Touristikzentrale am Essener Hauptbahnhof, Telefon 0201/194 33, www.essen.de.Kenner bevorzugen den Stadtteil Rüttenscheid – das Essener Nachtleben findet hier statt, nicht im Zentrum.
    Sehenswertes: Stadtrundfahrten sind eine gute Wahl, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen. Eine Besonderheit ist die so genannte Kulturlinie 107 der Essener Verkehrs-AG (www.kulturlinie107.de) – die Straßenbahn hält auch an der Zeche Zollverein. Industriegeschichte wird bei einem Besuch der Villa Hügel mit dem Hügelpark oder der Krupp’schen Arbeitersiedlung Margarethenhöhe spürbar. Internationale Beachtung finden die wechselnden Ausstellungen des Museums Folkwang (www.museum-folkwang.de). Wer es beschaulich und grün mag, findet im Grugapark und am Baldeneysee Entspannung beim Spazieren oder bei einer Schiffstour.

Text & Fotos: Heike Schweigert; fliegermagazin 02/2016