Flugplatz Deventer/Teuge – EHTE
Zu Zeiten der mittelalterlichen Hanse war das niederländische Deventer ein Wirtschaftszentrum. Für Piloten ist es heute ein reizvolles Wochenendziel
Wenn im Winter Schluss ist mit dem Strandwetter, dann suchen Piloten nach städtischen Zielen für den Wochenend-Ausflug. Ein besonders schönes liegt gleich hinter der Grenze zu den Niederlanden: der Flugplatz Deventer/Teuge. Dank EU und Schengen sind weder Zoll- noch Grenzkontrollen erforderlich – nur ein Flugplan muss sein. Der aber ist schnell aufgegeben, zumal über das Online-Portal der DFS (www.dfs-ais.de). Also nichts wie los. Flüsse, Kanäle und Seen prägen die flache Landschaft unter uns; die „Berge“ schaffen’s hier nicht mal auf 50 Meter. Der Flugplatz ist leicht gefunden: Er liegt praktisch in einer Ecke zwischen den Autobahnen A1 und A50, und die Asphaltbahn hat immerhin 1200 Meter. Bei gutem Wetter ist in Deventer/Teuge Verkehrsbeobachtung gefordert: Fallschirmspringer und Segelflieger sind hier sehr aktiv.
Der Platz ist einer der größten für die Allgemeine Luftfahrt in den Niederlanden. Schmerzlich hoch sind leider die Landegebühren. Als die nette Flugleiterin hört, dass wir das nahe Apeldoorn besuchen wollen, schaut sie skeptisch und schwärmt stattdessen vom mittelalterlichen Deventer. Der Flugplatz Teuge liegt genau zwischen diesen beiden Städten. Deventer, eine der ältesten Städte in den Niederlanden, nennt sich die „gastfreundliche Hansestadt“, also disponieren wir um. Ein Taxi bringt uns in die etwa sechs Kilometer entfernte Stadt. Der Tipp erweist sich als Volltreffer: In der ehemaligen Hansestadt am Fluss Ijssel (der ins gleichnamige Meer mündet) pulsiert das Leben. Hier wirkt alles quirlig, heiter und gelassen. Solange das Wetter mitmacht, herrscht auch im Winter in der Innenstadt stets geschäftiges Treiben.
Der Platz ist einer der größten für die Allgemeine Luftfahrt in den Niederlanden
Die 1545 erbaute historische Stadtwaage „De Waag“ mitten im Zentrum zeugt monumental von der Vergangenheit Deventers als Handelsstadt; von einer Zeit, als vollbeladene Schiffe die Ijssel befuhren und Kaufleute aus ganz Europa hier auf den Märkten ihre Waren feilboten. Heute befinden sich das Historische Museum Deventer und die Tourist-Info in dem spätgotischen Bau. Dort kann man sich allerlei Tipps zu Rundgängen in der Innenstadt holen; mehr Spaß macht es aber, sich einfach treiben zu lassen und die Atmosphäre der Stadt zu genießen. Feudale mittelalterliche Bürgerhäuser und zahlreiche Straßencafés gruppieren sich um den Markplatz „De Brink“. Jeden Freitag und Samstag gibt es hier regionale Fisch-Spezialitäten wie „gerookte Paaling“ (geräucherten Aal) und leckere Süßigkeiten wie „Stroopwafels“ und „Poffertjes“.
Im Koekhuisje am Marktplatz sollte man die „Deventer Koek“ probieren, eine Art Lebkuchen – und gleich als Mitbringsel einkaufen. Was aber wäre Holland ohne Käse: der Inhaber vom „Kaashandel“ am Brink zeigt gerne seine riesigen Käselaibe und lässt auch mal probieren. Direkt neben dem Brink fällt zwischen Straßencafés eine Statue von Albert Schweitzer auf. Der berühmte Theologe und Arzt ist zwar kein Sohn der Stadt, aber in dem angrenzenden Gebäude war einige Jahre lang das Internationale Albert Schweitzer Zentrum untergebracht. Pennickshoek heißt dieser kleine Winkel, benannt nach dem Auftraggeber, dem reichen Kaufmann Herman Pennick. Der hatte Mitte des 16. Jahrhunderts prächtige Häuser erbauen lassen, deren Renaissance-Giebel zu den schönsten und bekanntesten in den Niederlanden zählen.
Der Flugplatz liegt genau zwischen diesen beiden Städten Deventer und Teuge
In den Giebeln stellen Skulpturen die Tugenden dar: Glaube, Hoffnung, Liebe, Achtung, Kraft und Bescheidenheit. Diese Tugenden haben den Erbauer aber nicht davon abgehalten, ein als Neidspruch bekanntes Sprichwort anzubringen: „Alst Godt behaget beter benyt als beclaget“ – Wenn es Gott gefällt, besser beneidet, als beklagt. Besonders malerisch präsentiert sich das idyllische Bergkwatier, ein Viertel, das im 12. Jahrhundert besiedelt wurde. Heute verströmt es mit einer bunten Mischung aus Antiquitätenläden und Kaffeehäusern, die zum Stöbern und Ausspannen einladen, den Charme eines Künstlerviertels. Am Rande der Altstadt führen enge Gässchen gesäumt von prächtig restaurierten historischen Häusern den Hügel hinauf, wo die Nicolaaskerk mit ihren beiden Türmen thront.
Zwischen 1198 und 1209 wurde sie von einem deutschen Kloster als romanische Kreuzbasilika erbaut. Der Bischof von Riga entschied damals, die Kirche dem heiligen St. Nicolaas zu weihen, dem Schutzpatron der Deventer Kauf- und Seeleute. Aus dem 13. Jahrhundert stammt die gotische Lebuinuskerk, die dicht am Fluss Ijssel mit ihrem vierkantigen Turm die Silhouette der Stadt prägt. Wer die 220 Stufen bewältigt, wird mit einem Blick aus 60 Metern Höhe über die Stadt belohnt – und das reicht in den Niederlanden für große Distanzen. Der angelsächsische Mönch Lebuinus soll an genau dieser Stelle schon im 8. Jahrhundert eine kleine Holzkirche errichtet haben. Schon damals florierte dank der Ijssel der Handel, der vom 12. bis 16. Jahrhundert mit Bier, Käse und Stockfischen, aber auch mit Holz und Eisen voll erblühte und der Hansestadt zu Reichtum verhalf.
Ein schönes Wochenend-Ausflugsziel: der Flugplatz Deventer/Teuge
Beim Besuch der ganzen Stadt und besonders beim Blick von der Ijssel auf die Lebuinuskerk fühlt man sich manchmal wie in einem Gemälde von Vermeer. Vielleicht war es dieser ständigen Inspiration zu verdanken, dass in den dreißiger und vierziger Jahren des letzen Jahrhunderts einige Vermeer-Fälschungen auftauchten, deren Schöpfer Han van Meegeren in Deventer aufgewachsen war. Obwohl er es auch mit eigenen Werken durchaus zu einigem Wohlstand brachte, war er als Vermeer so perfekt, dass lange Zweifel an seinem Fälscher-Geständnis bestanden. Nur eine Fährfahrt über die Ijssel entfernt liegt der Naturpark Worpplantsoen.
Verstreut zwischen Feldern und Wäldern um Deventer liegen malerische Dörfer, stattliche Landsitze und schmucke Bauernhöfe. Hier findet sich auch eine Mühle, wie sie bei einem richtigen Holland-Besuch natürlich nicht fehlen darf. Die 1863 erbaute Bolwerksmühle wurde aufwändig restauriert und ist jetzt die größte funktionstüchtige Windmühle in der Provinz Overijssel. Die Betreiber des aufstrebenden Flugplatzes mit dem klangvollen Namen „Teuge International Airport“ setzen voll auf Deventers Wert als Handelsplatz.
Nachdem die Piste verlängert wurde, sind jetzt 66 000 Flugbewegungen pro Jahr anvisiert. Einige Geschäftsleute aus dem nahen Aarnheim haben ihre Jets in Teuge stationiert; es gibt eine erstaunliche Anzahl von Flugschulen, Wartungsbetrieben und Luftfahrtunternehmen, darunter sogar einen Shop für Fallschirmspringer. Ein Gewerbegebiet ist im Aufbau, und auch das Flugplatzrestaurant ist einen Besuch wert, wenn nicht genug Zeit für den Abstecher in die Geschichte der Hanse bleibt.
Deventer/Teugte – Tipps und Infos
So kommt man hin: EHTE ist gerade noch auf dem Blatt Hannover der deutschen ICAO-Karte zu finden. Auf Strecke empfiehlt sich der Kontakt zum Fluginformationsdienst von Dutch Mil auf 132.350 MHz. Die Anflugkarte ist kostenlos bei www.ais-netherlands.nl zu finden. Der Anflug erfolgt von Süden über den Pflichtmeldepunkt Sierra über der Autobahn A1; die Platzrunde ist mit Markierungen am Boden gekennzeichnet. Der Abflug erfolgt von der „27“ nach Nordwesten, von der „09“ nach Nordosten.
Unterkunft: Das „Hanzestadslogement De Leeuw“ ist ein Familienhotel in einem typischen Giebelhaus von 1645 im Zentrum von Deventer. Ein Tee- und Kaffeehaus gehört zum Hotel (www.hoteldeleeuw.nl).
Aktivitäten: Ein Rundgang durch die Stadt oder eine Führung zu Fuß oder mit der Pferdekutsche macht die Geschichte Deventers lebendig. Die Tourist-Information (www.vvvdeventer.nl) findet sich zusammen mit dem sehenswerten Historischen Museum in der Stadtwaage „De Waag“. Besonders lohnend ist ein Besuch der mittelalterlichen Stadt an den Markttagen Freitag und Samstag. Probieren Sie unbedingt den Deventer Koek, einen traditionellen Kuchen aus der Stadt.
Text und Fotos: Ulrike Schneider, fliegermagazin 12/2012