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Recht: Schadensregulierung
Ärgerlich genug, wenn bei einem Unfall etwas kaputtgeht. Doch man ist ja gut versichert! Wäre da bloß nicht das Kleingedruckte
Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Schadensregulierung:
Ein Tragschrauberpilot will von einem UL-Platz starten und nimmt Fahrt auf. Dabei trifft er eine Bodenwelle in der Piste, die so groß ist, dass der Hauptrotor durch die plötzliche Erschütterung in den Leitwerksträger einschlägt. Rotormast und der Rotor selbst werden dabei stark beschädigt, das Leitwerk, der Rahmen und der Propeller zerstört. Der Gyro kommt nach rund hundert Metern zum Stillstand, der Pilot bleibt unverletzt. Er meldet den Vorfall seiner Versicherung, fest im Glauben, dass diese den Schaden übernimmt: Noch vor kurzem hatte er sich mit einem Mitarbeiter des Unternehmens getroffen, um die Police zu überprüfen.
Doch es gibt eine böse Überraschung: Die Versicherungsgesellschaft lehnt die Regulierung mit Hinweis auf einen so genannten Betriebsschaden ab. Ihre Begründung: Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen bestünde für Schäden, die unmittelbar durch interne Betriebsvorgänge verursacht sind oder die Folge von betriebsbedingt unvermeidbaren, notwendigen oder in Kauf genommenen Einwirkungen sind, kein Versicherungsschutz. Der Pilot will die Schadenssume von rund 15 000 Euro einklagen, bekommt allerdings erst in zweiter Instanz beim Oberlandesgericht recht.
Dr. Roland Winkler antwortete
Mit dem Versicherer und dessen Allgemeinen Versicherungsbedingungen zurechtzukommen, ist in der Tat nicht immer einfach. Der vorliegende Fall ist allerdings besonders krass, denn hier hat der Versicherer versucht, sich durch rechtliche Winkelzüge aus der Verantwortung zu stehlen. Die Argumentation der Versicherung, die leider auch vom Landgericht in erster Instanz übernommen worden war, ging dahin, dass sich für das Luftfahrzeug beim Unfall ein alltägliches und typisches Risiko verwirklicht habe. Wenn bei dem üblichen Einsatz des Luftfahrzeugs erhöhte Risiken bestehen, weil es zum Beispiel von nicht asphaltierten Plätzen wie einer Graspiste startet, so handelt es sich im Schadensfall um einen normalen Betriebsvorgang, weil sich ja nur ein typisches Risiko verwirklicht habe.
Bei dieser Argumentation wurde ein gewichtiger Gesichtspunkt übersehen, auf den sich dann das Oberlandesgericht (OLG) bezog: Zwar würden diese Luftfahrzeuge typischerweise auch auf nicht asphaltierten Start- und Landebahnen verkehren, aber eine derart harte oder hohe Bodenwelle, deren Überrollen beim Startvorgang dazu führt, dass der Rotor außer Kontrolle gerät, ist nicht als typisch anzusehen.Hiergegen spricht bereits die Verkehrssicherungspflicht des Flugplatzbetreibers, von dem ja verlangt wird, dass er die Bahn kontrolliert und derartige Unebenheiten beseitigt. Der Flugplatzbetreiber muss auch etwa nach heftigen Niederschlägen, die den Boden aufgeweicht oder zu Pfützenbildung auf der Bahn geführt haben, notfalls den Flugplatz für den Verkehr sperren. Es bleibt – so das OLG – bei dem Grundsatz, dass auch bei nicht asphaltierten Start- und Landebahnen deren Zustand so sein muss, dass ein gefahrloses Starten und Landen möglich ist.
Schadensregulierung: Wer zahlt denn jetzt?
Ist das nicht der Fall, so gehört der eingetretene Schadensfall nicht mehr zum normalen Risiko, sondern die „harte Bodenwelle“ hat im Sinne der Versicherungsbedingungen von außen auf das Luftfahrzeug eingewirkt und zum Schaden geführt. Die Haltung der Versicherung war dem OLG offensichtlich auch nicht geheuer. Im Urteil heißt es, dass aus der sehr abgekürzten Darstellung des Unfallhergangs im Schadensbericht gefolgert werden könne, dass ursprünglich der Versicherer kaum Zweifel hatte, dass es sich um einen versicherten Unfall gehandelt habe. Bleibt zu hoffen, dass der Versicherer diese Mahnung zu Herzen nimmt. Auf eines muss noch hingewiesen werden: In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen finden sich so genannte Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls. Werden diese verletzt, so kann dies im Extremfall dazu führen, dass der Versicherer die Leistung ganz verweigern kann.
Zu diesen Obliegenheiten gehört vor allem, dass der Versicherer im Schadensfall so rasch wie möglich informiert wird. Dabei muss man Typ, Kennzeichen, Zeitpunkt, Ort, vermutliche Ursache und ungefähres Ausmaß des Schadens sowie die vollständigen Kontaktdaten der für das beschädigte Luftfahrzeug verantwortlichen Person angeben. Fotos von der Unfallstelle und Zeugenberichte können hilfreich sein für die Bestandsaufnahme durch einen Sachverständigen des Versicherers. Prinzipiell muss der Versicherungsnehmer alles tun, was zur Aufklärung des Tatbestands und zur Vermeidung weiteren Schadens dient. Vorsicht ist allerdings bei Analysen und Meinungen zu Fragen des Unfallherganges und dessen Ursache geboten. Am besten ist es, sich schlicht an die Fakten zu halten und eigene Erklärungsversuche zu unterlassen.
fliegermagazin 11/2013
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