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Recht: Rücksichtnahme

Die Hangartore eines Luftfahrttechnischen Betriebs stehen häufig offen. Vorbeischwebende Helis wehen dann alles durcheinander. Wer haftet?

Von Redaktion

Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Rücksichtnahme:

Wenn bei uns in der Halle gearbeitet wird, steht das Hallentor offen. Wir haben nun ein Hubschrauberunternehmen neben uns, und manchmal landet ein Helikopter relativ dicht in Hallennähe. Es landen aber auch andere Hubschrauber in der Nähe. Wir können erst recht spät erkennen, ob diese Hubschrauber bei uns landen oder woanders. Natürlich wirbeln sie dann die ganze Halle auf, vor allem die ULs kommen in Bewegung. Auch die bei uns in der Nähe tankenden Flugzeuge blasen beim Vorbeirollen in die Halle, wenn sie vor dem offenen Tor einen 90-Grad-Bogen machen. Wie ist die rechtliche Seite? Müssen wir bei jeder eventuellen Gefahr durch Propeller immer die Halle zumachen, oder muss das Luftfahrzeug Rücksicht nehmen? Wer haftet für Schäden, wenn durch den Downwash das Tor zugestoßen wird und an ein Luftfahrzeug knallt oder wenn ein UL sich durch den Propellerstrahl selbstständig macht und auf ein anderes Flugzeug geschoben wird?

Dr. Roland Winkler antwortete:

Beschädigungen der in der Halle geparkten Luftfahrzeuge sind zunächst von deren Kasko-Versicherung gedeckt – sofern der Halter eine solche abgeschlossen hat. Die Versicherungsbedingungen verlangen allerdings, dass die Luftfahrzeuge in zumutbarer Weise oder gemäß den Anweisungen des Herstellers gesichert sind. Beim Abstellen in der Halle ist eine besondere Sicherung gegen Windeinflüsse nicht erforderlich, es sollten jedoch Unterlegkeile benutzt werden. Fraglich ist, ob es grob fahrlässig ist, das Tor bei Arbeiten in der Halle geöffnet zu lassen mit der Konsequenz, dass der Kaskoversicherer seine Leistung kürzen kann. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste.

Wenn beispielsweise ein UL an einem Flügeltor so abgestellt wird, dass der zufallende Torflügel es beschädigt, wäre es naheliegend gewesen, das Tor zu sichern. In unserem Fall liegt aber keine grobe Fahrlässigkeit vor. Auf Seiten des Schädigers besteht natürlich Versicherungsschutz aus der Halter-Haftpflichtversicherung. Doch betrachten wir einmal die Frage, ob das Tor überhaupt offen stehen darf. Die Halterhaftung nach § 33 Abs. 1 LuftVG ist eine verschuldensunabhängige Haftung, sie stellt nur auf die Betriebsgefahr des Luftfahrzeugs im Betrieb ab. § 34 LuftVG verweist allerdings auf § 254 BGB und stellt damit auf ein Verschulden des Geschädigten ab. Hier ist nun zu prüfen, ob bei demjenigen, der das Tor geöffnet hat, ein Mitverschulden nach § 254 BGB zu sehen ist. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass man um die Problematik der Heli-Landungen und vorbeirollendem Verkehr weiß.

Rücksichtnahme: Wenn Tür und Tor geöffnet sind

Anders als bei den Kaskobedingungen reicht für § 254 BGB jedwedes Verschulden aus, also auch einfache Fahrlässigkeit. § 254 BGB verlangt eine Bewertung der für den Schaden kausalen Umstände: Das Luftfahrzeug in der Halle wäre bei geschlossenem Tor nicht beschädigt worden. Umgekehrt wäre aber der Schaden auch nicht entstanden, wenn der Hubschrauber nicht gelandet wäre oder der vorbeirollende Flieger weniger Gas gegeben hätte. Die alte LuftVO betonte in § 1 Absatz 1 das Gebot auf Rücksichtnahme. Das neue europäische Regelwerk SERA bestimmt, dass Luftfahrzeuge nicht in fahrlässig oder vorsätzlich riskanter Weise so betrieben werden dürfen, dass Menschenleben oder Sachen Dritter gefährdet werden (SERA.3101). Ist aber das Offenlassen eines Hallentors fahrlässig im Sinne des Gesetzes?

§ 276 Abs. 2 BGB bestimmt: „Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.“ Bei der Abwägung der Schadensbeiträge wird man den Grundsatz aus der alten LuftVO anwenden und hier ein allgemeines Rücksichtnahmegebot auf dem Flugplatz herleiten. Die Flugzeughallen sind aus der Sichtanflugkarte für den Hubschrauberpiloten ersichtlich, auch der rollende Verkehr sieht sie und ein eventuell offenes Hallentor. Der Helipilot, der neben der Halle landen will, kann aus ungefährlicher Höhe zudem gut erkennen, ob ein Tor offen steht. Anders gesagt: Wer das Hallentor öffnet und während der Arbeiten offen lässt, handelt nicht fahrlässig – er kann sich nämlich darauf verlassen, dass andere Verkehrsteilnehmer verantwortungsbewusst und vernünftig handeln. Ein Mitverschulden scheidet damit aus.

fliegermagazin 8/2017

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