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Recht: Beweislast
Nach einer Außenlandung ist der Schrecken groß, die Diskussionen beginnen. Wie soll man nachweisen, welcher Defekt zum Motorstillstand führte?
Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Beweislast:
Bei uns im Verein herrscht Unsicherheit für den Fall des Falles. Folgende Situation: Motorstillstand, Notlandung auf einem Feld. Zwar wird niemand verletzt, am Flieger entsteht jedoch Schaden, der sich so einfach von außen nicht einschätzen lässt. Die nach der Landung gerufene Polizei stellt den Grundstückseigentümer fest und benachrichtigt ihn, damit der Meldepflicht genüge getan wird. Dann aber ist es Sache des Piloten, das havarierte Luftfahrzeug abtransportieren zu lassen, wobei man sich mit dem Halter abstimmt (sofern es nicht der Pilot selbst ist). Dessen Interesse ist es, den Schaden möglichst schnell reparieren zu lassen, damit der Flieger wieder in die Luft kommt.
Nun hört man von Fällen, bei denen Jahre nach dem Unfall Rechtsstreitigkeiten geführt werden, weil entweder der Versicherer sich auf Leistungsfreiheit beruft oder der verantwortliche Pilot seinen Selbstbehalt nicht zahlen will, mit der Begründung, der Unfallflieger war unerkannt schon vorher defekt und nur deshalb sei es zum Unfall gekommen. Wie geht man in solch einem Fall vernünftigerweise vor? Sei es als Halter, der den Flieger ordnungsgemäß hatte warten lassen, oder als Pilot, der jetzt erkennen muss, welche „Mühle“ ihm damals übergeben worden war.
Dr. Roland Winkler antwortete:
Zunächst müssen wir uns das Grundprinzip des deutschen Rechts vor Augen führen, nach dem im Regelfall Zivilprozesse entschieden werden: das Beweislastprinzip. Derjenige, der einen Anspruch geltend macht, muss alle Tatsachen beweisen, die seinen Anspruch stützen. Geht es um Schadenersatz für ein zerstörtes oder beschädigtes Flugzeug, muss der Nachweis geführt werden, dass das Handeln des Piloten für den konkreten Schaden ursächlich war, und zwar im Sinne einer alleinigen Kausalität. Selbst wenn ein klarer und einfacher Fall vorzuliegen scheint, wie eine Außenlandung wegen Spritmangels, kann der Gegner immer noch Einwendungen vortragen, die die Durchsetzung des Anspruchs erheblich erschweren oder gar vereiteln.
Angefangen von falschen Auskünften zum tatsächlichen Tankinhalt oder der Behauptung, dass wegen veralteter Spritleitungen oder der Verwendung unzulässigen Treibstoffs während des Flugs Sprit verlorengegangen sei, ohne durch den Vergaser zu strömen, bis dahin, dass das Luftfahrzeug einen vorher nicht erkennbaren technischen Fehler gehabt hätte: Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Zunächst ist es technisch nicht unmöglich, dass ältere Benzinschläuche porös werden; umso mehr, wenn sie schon vor längerer Zeit hätten ausgetauscht werden müssen. Auch ein nicht erkennbarer Vordefekt, der zum Motorstillstand führte, ist technisch gesehen denkbar. Schließlich kann auch Spritmangel auftreten, weil aufgrund der falschen Stellung des Tankwahlschalters ein Tank leergeflogen wurde, während in dem anderen noch ausreichend Treibstoff vorhanden war.
Behauptungen und Beweise
Wurde der gefüllte Treibstofftank bei der Außenlandung leck geschlagen, lässt sich nicht mehr sagen, wie viel Treibstoff noch vorhanden war. Das Problem in all diesen Fällen ist der Nachweis der jeweils relevanten Tatsachen. In der Praxis zeigt sich oft, dass der Richter, der den Streitfall zu entscheiden hat, nicht in hinreichendem Maße den technischen Sachverstand hat, und die Akten werden an einen vom Gericht ausgesuchten Sachverständigen gesandt, der ein Gutachten erstellt. Die Parteien können dann die Anhörung des Sachverständigen verlangen. In einem entsprechenden Termin erläutert der Sachverständige sein Gutachten und nimmt zu weiteren Fragen Stellung. Allerdings kann und wird der Sachverständige nur zu solchen Tatsachen Stellung nehmen, die er selbst gesehen hat, und hieraus die technisch zulässigen Schlussfolgerungen ziehen.
Im Beispiel der Benzinschläuche kommt es allenfalls dazu, dass der Sachverständige bekundet, Undichtigkeit und Spritverlust seien technisch möglich. Er kann aber die aufgestellte Behauptung des Beklagten, es sei so gewesen, nicht zurückweisen, solange er die Schläuche nicht selbst gesehen hat. So ist es nach einer Außenlandung eine sehr gute Idee, eine möglichst lückenlose Fotodokumentation zu erstellen, und zwar bevor das Luftfahrzeug abgeschleppt oder verladen wird. Auch die Polizei macht oft Fotos, doch geht es dabei nicht um die Schäden am Flieger. Ist die Maschine dann in der Werft, sollte man zudem sicherstellen, dass vom Wartungspersonal kein ausgebautes und ersetztes Teil weggeworfen wird. Um im Beispiel zu bleiben: Nur wenn man dem Sachverständigen die alten Benzinschläuche vorlegt, kann er auch feststellen, dass sie nicht porös sind. Und dass es mit dem eigentlichen Unfall nichts zu tun hat, dass sie eventuell schon längst hätten ausgetauscht werden müssen.
fliegermagazin 4/2017
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