Praxis-Tipp: Fliegen bei Nacht
VFR-Flüge in der Dunkelheit haben einen besonderen Reiz. Im Winter ist die Berechtigung dafür leicht zu erwerben.
Was soll daran so reizvoll sein? Bei Nacht sieht man nichts mehr von der malerischen Landschaft. Man muss sich mit neuen Verfahren auseinandersetzen. Einfach reinsetzen und losfliegen wie an einem sonnigen Nachmittag geht nicht. Warum also sollte man sich eine Nachtflugberechtigung antun?
Weil sie faszinierende Eindrücke vermittelt. Ein Flug über einer erleuchteten Landschaft ist beeindruckend schön. Die Atmosphäre an Bord in ihrer schummerigen Beleuchtung bietet ein Gefühl der Geborgenheit. Man schwebt in einer Kapsel inmitten rabenschwarzer Umgebung, unten glitzern die Lichter von Häusern und Autos – unübertroffen!
Nachtflugbereichtigung: Warum sollte man sich das antun?
In Sachen Nutzwert muss man differenzieren. Der größte Gewinn liegt in der Option, bei verspäteter Heimkehr auch nach Einbruch der Nacht landen zu dürfen. Am meisten profitiert, wer an einem Verkehrsflughafen mit langen Öffnungszeiten stationiert ist. Bei einem für Nachtflug zugelassenen Landeplatz dagegen ist oft PPR mit entsprechenden Gebühren erforderlich.
Die Möglichkeit, ganz ohne Flugleiter anzukommen und die Beleuchtung durch mehrfaches Drücken der Sendetaste selbst zu aktivieren, ist in Deutschland leider derzeit nicht gegeben – anders als in vielen Ländern, wo dies möglich ist.
Fliegen bei Nacht: Wann darf es losgehen?
Es sollte sich herumgesprochen haben, dass die Nacht inzwischen durch Ende und Beginn der bürgerlichen Dämmerung definiert ist, wenn die Mitte der Sonnenscheibe sechs Grad unter dem Horizont steht. Daran ist, anders als oft zu hören, nichts komplizierter als an der früheren Regel: Auch die Zeiten von Sonnenunter- und aufgang musste man Tabellen, Internet oder Navi entnehmen.
Der Aufwand für den Erwerb der Nachtflugberechtigung ist nicht besonders groß. Viel hängt davon ab, ob ein Flugplatz in Reichweite ist, an dem man nachts fliegen kann. Zu beachten ist, wie ein Flugzeug ausgerüstet sein muss, damit es nachts fliegen darf. In Frage kommen Motorsegler (TMG) und nach CS-23 zugelassene Flugzeuge. Im Prinzip geht Nachtflug auch mit LSA und VLA, allerdings haben nicht alle Muster die erforderliche Zulassung.
Ausstattung: Neben der Mindestausstattung sind zusätzliche Instrumente erforderlich
Im Part NCO (nichtkommerzieller Betrieb anderer als technisch komplizierter Luftfahrzeuge) der EU-Vorschrift 800/2012 findet sich außerdem die erforderliche Ausstattung. Zusätzlich zur Mindestausstattung der Instrumente für den Tagflugbetrieb müssen vorhanden sein: Variometer, Künstlicher Horizont, Wendezeiger und Kreiselkompass. Und dann geht es noch um Beleuchtung: Kollisionswarnlichter, Navigationsleuchten, Landescheinwerfer, Instrumenten- und Kabinenbeleuchtung. Zusätzlich muss eine separate Taschenlampe mitgeführt werden. Außerdem erhöht sich die Anforderung an die Treibstoffreserven: Sprit für 45 Minuten soll nach Erreichen des Zielflugplatzes noch im Tank sein.
Instrumenten- und Kabinenbeleuchtung müssen vor dem Flug getestet werden. Vor dem Abstellen sollte man sie wieder ausschalten, sonst wundern sich die Kollegen am nächsten Tag, warum eine gedimmte Warnleuchte nicht zu funktionieren scheint.
Wetterbriefing: Wolken sind ein No-Go!
Noch mehr Augenmerk als bei Tag verdient das Wetter-Briefing. Wolken in oder unter der geplanten Flughöhe sind ein absolutes No-go. Sie sind im Dunklen nicht von unbeleuchtetem Boden zu unterscheiden, sodass ein versehentlicher Einflug wahrscheinlich ist. Auch schlechte Sicht kann Probleme machen. Grundsätzlich hilft ein Blick auf die Mondphase: ein heller Vollmond macht das Fliegen bei Nacht leichter.
Das Cockpit bleibt bei Nacht eher schwach beleuchtet – der Kontrast zur dunklen Nacht draußen ist dann geringer, die Augen bleiben angepasst. Dafür brauchen sie bis zu 30 Minuten, aber ein heller Lichtblitz macht die Anpassung wieder zunichte. Es gilt also, „Lichtdisziplin“ zu wahren. Schon ab 5000 Fuß MSL können Einschränkungen der Sichtfähigkeit durch Sauerstoffmangel auftreten – wer eine Sauerstoff-Versorgung an Bord hat, sollte sie nutzen.
Vorsicht vorm schwarzen Loch: der künstliche Horizont leistet abhilfe
Fliegen über einer erleuchteten Stadt erfordert nicht viel mehr Orientierungsvermögen als ein VFR-Flug bei Tag, schon gar nicht bei hellem Mondschein. Die Lage im Raum zu wahren ist nicht schwer. Nimmt man aber Kurs auf unbeleuchtete Landschaft, wird schnell der Künstliche Horizont zum besten Freund. Insofern ist die Nachtflugberechtigung auch schon ein wenig Vorbereitung auf eine vielleicht nachfolgende IFR-Ausbildung.
Auch die Landung bei Nacht ist gar nicht so schwer, wenn an einem Verkehrsflughafen das volle Angebot an Beleuchtungseinrichtungen gegeben ist. Besonders hilfreich sind PAPI oder VASIS, also Befeuerungen, die den Gleitweg klar erkennen lassen. Ganz anders sieht es aus bei einem Landeplatz ohne diese Hilfen. Die Distanz zur Piste ist ohne optische oder funknavigatorische Hilfsmittel nur schwer abschätzbar. Sehr leicht kommt man zu tief. Wer sich vorher überlegt, in welcher Distanz er wie hoch sein möchte, kann und sollte sich vom GPS helfen lassen. Ansonsten droht die Gefahr des „black hole approach“ in ein schwarzes Loch, bei dem man sich in der Höhe massiv verschätzt und vor der Bahn mit dem Gelände kollidiert.
Notsituationen: Funkkontakt und Flugplan sind Nachts erforderlich
Natürlich werden in der Ausbildung Notsituationen abgedeckt, etwa der Ausfall der Panelbeleuchtung. Dass ein Überlandflug zum Training gehört, dient auch dazu, die Aufgabe des vorgeschriebenen Flugplans zu üben. Dort werden üblicherweise IFR-Wegpunkte angegeben – was sich auch für ganz normale Flugpläne bei Tag empfiehlt. Zu finden sind sie in praktisch allen Navigations-Apps.
Eine ganz neue Erfahrung bietet dann der Funkverkehr auf einer IFR-Frequenz. Aber keine Angst: Dort dürfen VFR-Piloten auch auf Deutsch funken – selbst wenn die anderen Verkehrsteilnehmer Englisch reden. Anders als noch vor einigen Jahren ist keine Freigabe der Flugsicherung für Nachtflüge erforderlich – wohl aber ein Funkkontakt. Man meldet sich nach Verlassen der Tower- oder Platzfrequenz also einfach bei dem zuständigen Radarlotsen, wo man aufgrund des aufgegebenen Flugplans schon erwartet wird.
Keine Prüfung: Für den Erwerb der Nachtfluglizenz reicht die Ausbildung aus
Die Controller geben auch Informationen über aktive Nachttiefflugstrecken. Sie erstrecken sich als Night Low Flying System (NLFS) mit der Sperrgebietsnummer ED-R 150 über ganz Deutschland und sind in speziell um diese Eintragungen erweiterten ICAO-Karten enthalten, ebenso in den meisten Navigations-Apps. Auch im Airspace Use Plan (AUP) der Bundeswehr unter www.milais.org sind die Aktivierungszeiten jeweils ab Mittag zu finden. Die Strecken werden jedoch selten genutzt und sind für die Praxis der Nachtflüge von geringer Bedeutung.
Ganz ohne Prüfung wird die Nachtflugberechtigung nach Abschluss der Ausbildung in die Lizenz eingetragen. Dann kann und darf man bis in die Nacht hinein fliegen. Das mag bei langen Flügen im Winter auch eine praktische Rolle spielen. Aber abgesehen von solchen Sachargumenten liegt die hauptsächliche Motivation für den Erwerb der Berechtigung im besonderen Reiz eines nächtlichen Flugs über beleuchteter Landschaft. Piloten können sich daran ebenso wenig sattsehen wie ihre Fluggäste, die darüber hinaus zu schätzen wissen, dass das Flugzeug ohne die Thermik des Tages absolut ruhig dahingleitet.
Ausbildung zum Nachtflug
Abschnitt FCL.810 der EU-Verordnung 1178/2011 legt genau fest, was jemand lernen muss, der bei Nacht fliegen will. Übrigens müssen auch angehende IFR-Piloten eine Nachtflugberechtigung mitbringen, wenn sie nachts fliegen wollen. Die gute Nachricht für viele: Eine Prüfung ist beim Erwerb der Nachtflugberechtigung nicht erforderlich. Man kann sie zu einer LAPL oder einer PPL hinzufügen, aber nicht zu einer UL-Lizenz.
Die Vorschrift verlangt zuerst theoretischen Unterricht, der aber nicht näher spezifiziert wird. Ein paar Stunden sollten genügen, um die Besonderheit des Nachtflugs in der Flugschule zu besprechen.
Außerdem müssen mindestens fünf Flugstunden in der entsprechenden Flugzeugkategorie bei Nacht geflogen werden. Mindestens drei der Stunden müssen als Ausbildung mit einem Lehrberechtigten geflogen werden, davon mindestens eine Stunde zum Thema Überland-Navigation. Dabei soll ein Überlandflug mit Fluglehrer über mindestens 50 Kilometer absolviert werden. Gefordert sind auch fünf Alleinstarts- und -landungen bis zum vollständigen Stillstand.
Wer sowohl die Berechtigung für einmotorige Landflugzeuge als auch für Touring Motor Glider (TMG) hat, kann die Ausbildung in einer der beiden Klassen absolvieren; die Berechtigung gilt dann für beide. Wichtig für LAPL-Inhaber: Sie müssen vor dem Nachtflugtraining die grundlegende Instrumentenflug-Ausbildung absolvieren, die beim PPL ohnehin geschult wird.
Text: Helmuth Lage fliegermagazin 01/2021
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